SOMMER
14 N
An Sinnesoffenbarung hingegeben
Verlor ich Eigenwesens Trieb,
Gedankentraum, er schien
Betäubend mir das Selbst zu rauben,
Doch weckend nahet schon
Im Sinnenschein mir Weltendenken.
Vorbemerkung
Das Mantra 14 N nimmt eine besondere Stellung ein. Diese Woche ist nicht nur eine erste Woche im neuen Vierteljahr von 13 Wochen und markiert damit den Beginn des absteigenden Kreisbogens im Seelenkalender-Jahreskreis. Der Seelenkalender verrät auch durch seinen Aufbau, dass diese Woche eine ganz besondere ist, die für uns eine besondere Möglichkeit der Geistverbindung bereithält hält. Wie im Folgenden deutlich werden wird, gehen wir alle in der Woche 14 N über die Schwelle — ob wir es merken oder nicht. Auch wenn es im Außen dazu keinerlei Hinweise gibt, trägt diese Woche die “Energie der Schwelle”.
Das Mantra 14 N nenne ich einen Schwellenspruch, weil Rudolf Steiner den Seelenkalender so gestaltet hat: zu fast jedem Mantra stehen zwei andere in Beziehung: diese beiden werden Spiegel- und Gegenspruch genannt.
Der Jahreskreis des Seelenkalenders
lila: Schwellensprüche 14 N und 39 n
hellrot: gegenseitige Spiegel- und Gegensprüche der Mantren 13 M, 15 O, 38 m, 40 o
Der Spiegelspruch zeichnet sich durch auffällige Ähnlichkeiten im grammatischen Bau aus und liegt für das ganze Sommer-Halbjahr stets “senkrecht” unter der jeweiligen Woche. Der Gegenspruch trägt den gleichen Buchstaben und liegt im Jahreskreis stets genau “gegenüber”. Im Frühjahr und Herbst liegen diese beiden in Beziehung stehenden Sprüche grafisch weit auseinander. Auf dem Weg zur Sonnenwende wandern sie grafisch immer näher zusammen. Und zweimal im Jahr vereinen sich Spiegel- und Gegenspruch grafisch und semantisch in einem Mantra: das ist der Fall für das Mantra 14 N! Spiegel- und Gegenspruch “sind” beide das Mantra 39 n. Dieses besondere Mantra “ist” die Woche des Jahreswechsels. Wenn wir im Winter in dieser Woche leben, wird wiederum das Mantra 14 N Spiegel- und Gegenspruch in sich vereinen. 14 N und 39 n sind deshalb Schwellen-Sprüche. Sie sind im Jahreskreis das, was oft “der Kanal” genannt wird. Sie zeigen eine Seelensituation, in der das Fühlen auf einen Punkt konzentriert ist, in dem Denken und Wille eins sind. Wenn dieser einsgerichtete Fokus gelingt, berühren sich Himmel und Erde, Denken und Wollen.
Eine Schwelle trennt und markiert gleichzeitig den Übergang zwischen zwei Bereichen. Anschaulich wird dies in der Türschwelle, die Außen und Innen trennt und gerade dadurch den Übergang ermöglicht. Auch die Schwellensprüche bilden solch einen trennenden Übergang. Sie trennen zwischen dem, was ich die Erdsphäre und die Geistsphäre nenne. Mit dem Mantra 14 N ist der Scheitelpunkt des Seelenkalender-Jahreskreises überschritten. Der Kreisbogen fällt nun wieder. Astronomisch beginnt diese Zeit nach der Sommer-Sonnenwende um den 21. Juni, kurz vor Johanni, also in der Woche mit dem Mantra 12 ! oder sogar davor. Betrachte ich jedoch den Jahreskreis der 52 Mantren, so wendet sich der Kreisbogen erst hier mit dem Wochenspruch 14 N.
Drei Aspekte zeigen, dass ein geheimes Bewusstsein für die Besonderheit dieser Woche überliefert ist: in einer Bauernregel, im Heiligenkalender und im Volksmärchen.
Der Siebenschläfer-Tag
Vom Siebenschläfer-Tag heißt es: „Das Wetter am Siebenschläfertag sieben Wochen bleiben mag”. Der Siebenschläfertag am 27 Juni lag vor der gregorianischen Kalenderreform (1582) zehn Tage später, also am 7. Juli. (Diese Kalender-Korrektur wurde durchgeführt, weil sich die Tag-und-Nachtgleiche wegen der noch nicht ausreichend präzisierten Schaltjahr-Regel um diese Anzahl von Tagen verschoben hatte. Dadurch ist die mit dem Siebenschläfertag verbundene Bauernregel erst für die erste Juli-Woche, ca. 5. Bis 10. Juli, aussagekräftig.) Der ersten Juli-Woche entspricht meist das Mantra 14 N.
In dieser Zeit stabilisiert sich häufig die vom Jetstream abhängige Großwetterlage. Im südlichen Deutschland trifft die Wetter-Vorhersage dieses Zeitraumes häufig zu (Münchener Gegend zu 80%), weiter im Norden, mit zunehmend maritimen Klimaeinflüssen, ist sie dagegen unbrauchbar. Die Lebendigkeit des Wettergeschehens, die zum Frühling gehört, wird in dieser Woche abgelöst von einer mehr dauerhaften Situation.
Der Name dieses Tages beruht auf einer Legende. Unter Kaiser Decius (249 – 251 n. Ch.) sollen sieben junge Christen sich nahe Ephesus in einer Höhle im Berg versteckt haben. Als sie gefunden wurden, wurden sie lebendig eingemauert. Dort schliefen sie 195 Jahre lang, bis sie am 27.6. 446 zufällig entdeckt wurden und erwachten. Sie bezeugten ihren Glauben an die Auferstehung der Toten und starben kurz darauf. Die erste bekannte Dokumentation dieser Legende stammt aus dem 6. Jahrhundert nach Christus. Gregor von Tours (538 – 594) übersetzte sie ins Lateinische. Seitdem verbreitete sie sich in der westlichen Christenheit.
Die Zahlen Sieben (die Schläfer) und Vierzehn (14 N) stehen zueinander in Beziehung. So wie die erwachten Schläfer ein zweites Leben hatten und die Auferstehung der Toten bezeugten, so könnte die Botschaft für 14 N hier lauten: es geht weiter, auch wenn ein Entwicklungszyklus abgeschlossen ist.
Die vierzehn Nothelfer
Schwellen-Erlebnisse sind Krisen-Erlebnisse. Interessanterweise kennt man seit dem Mittelalter die “Vierzehn Nothelfer”. Sie heißen nach ihrer Anzahl, und es sind von Region zu Region die Persönlichkeiten etwas verschieden. Die Anzahl kommt durch eine bestimmte Ordnung zu Stande, die etwa 1400 n. Chr. in Regensburg festgelegt wurde, die sogenannte Normalreihe. Die Verehrung begann aber schon viel früher. In den “Vierzehn Nothelfern” sind begrifflich 14 Menschen vereinigt, die im zweiten bis vierten Jahrhundert nach Christus gelebt haben. Mit Ausnahme von einem der Nothelfer opferten alle ihr Leben als Märtyrer. Diese Nothelfer wurden bei jedem Leid, bei Krankheit und Gefahr angerufen.
Die “Vierzehn Nothelfer” zeigen sich bei genauerer Betrachtung als Aspekte der menschlichen Wesensglieder (die Zuordnung der Wesensglieder ist von mir):
Drei Bischöfe und Märtyrer:
Dionysius, Erasmus, Blasius |
Denken |
Drei Jungfrauen und Märtyrer:
Barbara, Margareta, Katharina |
Fühlen |
Drei Ritter und Märtyrer:
Georg, Achatius, Eustachius |
Wille |
Ein Arzt und Märtyrer: Pantaleon | physischer Leib |
Ein Mönch: Agidius | Ätherleib |
Ein Diakon und Märtyrer: Cyriacus | Astralleib |
Ein Knabe und Märtyrer: Vitus | Ich |
Ein Christusträger und Märtyrer: Christopherus | Geistselbst |
In der Gliederung sind unschwer die drei Seelenfähigkeiten Denken (Bischöfe) Fühlen (Jungfrauen) und Wille (Ritter) zu erkennen. Da es drei Bewusstseinsstufen der Seele gibt (Empfindungsseele, Verstandes- oder Gemütsseele, Bewusstseinsseele), repräsentieren jeweils drei Menschen zusammen eine Seelenfähigkeit. Die fünf Einzelpersonen lassen sich als fünf Wesensglieder erkennen. Alle zusammen bilden eigentlich einen riesigen Menschen, wie er am Ende dieser Erdenzeit dastehen soll.
Der Geist im Glas
Im Märchen von den Gebrüdern Grimm, “Der Geist im Glas” (KHM 99), wird die übermächtige Gewalt der Lebenskräfte (Äthermächte) geschildert. Zunächst ist der Geist in der Flasche eingesperrt. Als er befreit wird, ist er drauf und dran seinem Befreier den Hals zu brechen, doch dieser bezwingt ihn mit seiner Klugheit. Daraufhin schenkt der Geist ihm Heilkraft.
Die Äthermacht hat sowohl mit den Todes- (Bewusstseins-) als auch mit den Lebenskräften zu tun. Diese im Gleichgewicht zu halten ist schon durch die Lage des Mantras Thema der Woche 14 N. Wenn die Bewusstseinskräfte vom Menschen souverän gehandhabt werden, können sie heilend wirken.
Was erlebe ich beim Schwellenübertritt — im Mantra 14 N?
Nun bin ich ganz an die Sinnesoffenbarung hingegeben. Der Prozess der Entäußerung ist beendet. Ich verlor, — das ist die Vergangenheitsform – des Eigenwesens Trieb. Mein Trieb ist das körperlichste, basalste, was ich im Willensorganismus habe. Ich verlor die treibende Kraft, die die Sonderung von der Welt anstrebt, die mich zum Eigenwesen macht. Damit bin ich eins mit der Wahrnehmung, mit der Außenwelt, ich bin der Baum, der Berg, das Meer, die Sterne, jedes Wesen und jedes Element. Doch davon habe ich kein Bewusstsein, ich kann mich nicht gegenüberstellen. Ich bin gefangen in dem Sein, an das ich mich mit der Sinneswahrnehmung hingegeben habe.
Meine Gedanken sind traumhaft, ich träume einen Gedankentraum. Mein Denken entbehrt der bewussten Führung. Dieses verselbständigte Denken ist das ununterbrochene, unterbewusst ablaufende Selbstgespräch, das Kopfkino. Dieses Denken bewertet jede Wahrnehmung und vermittelt durch vermeintlich unumstößliche Urteile eine Realität, die es so nicht gibt. Erst wenn ich aus diesem Gedankenkarussell aufwache, die Urteile hinterfrage und gegebenenfalls verändere, erkenne ich meine Handlungs-Spielräume und meinen Anteil an der subjektiven Sicht auf die Welt.
Dieser Gedankentraum wirkt betäubend und scheint mein Selbst zu rauben. Die gesteigerte Wahrnehmung ist ein ekstatischer Zustand, der mich aus mir heraushebt und mich mit dem Wahrnehmungsinhalt vereinigt. Wie schon in den Mantren vorher geht es auch hier um diesen Wahrnehmungsprozess, der die Wachheit in meinem Denken reduziert — nun bis zum Selbstverlust. Im Spruch 7 G drohte mein Selbst zu entfliehen, war also aktiv am Prozess beteiligt. Nun, im Mantra 14 N ist das “Selbst” in Gefahr, Opfer zu werden: es droht mir durch den Gedankentraum betäubt und geraubt zu werden. Es geht darum, aus dem Einschlafen in die Wahrnehmung wieder zu erwachen und denkend bewusst zu werden. Gelingt das nicht, bleibe ich in der Bewusstseinsabdämpfung der reinen Wahrnehmung gefangen, aus Schlaf wird Betäubung und ich bleibe unbewusst für mich selbst. Erst wenn ich der Welt wieder gegenübertreten kann, erhalte ich durch die physische Welt, der auch mein Körper angehört, eine Spiegelung meines rein geistigen Ichs. Diese Abspiegelung nehme ich als mein Selbst war, wie Rudolf Steiner beschreibt (siehe 6 F).
Das Mantra 14 N beschreibt also bis hierher tatsächlich eine Situation, die an eine kritische Grenze gekommen ist. Dadurch zeigt dieser Spruch Ähnlichkeit mit den vier Krisensprüchen, ohne gewöhnlich zu ihnen gezählt zu werden. An dieser Stelle ist eine Neuorientierung im Wahrnehmungsprozess erforderlich. Das Pendel muss umschlagen. Für diese Wendung bekomme ich Hilfe. Das Weltendenken naht mir, um mich zu wecken. Von außen kommt dieses Denken auf mich zu. Welch eigenartiges Bild, da ich doch gewohnt bin, dass das Denken ein Innenprozess ist, der von mir ausgeht. Was ist mit Weltendenken gemeint? Das Weltendenken kommt mit dem Sinnenschein auf mich zu. Zu Beginn des Spruches war es die Sinnesoffenbarung, die den Verlust meines Triebs, ein Eigenwesen zu sein, bewirkte. Eine Offenbarung ist eine geschaute Wahrheit, der Schein dagegen eine Täuschung. Im ersten Fall ist das, was die Sinne mir von der Welt zeigen durchaus wahr, es ist eine Offenbarung, doch bin ich dieser Offenbarung ausgeliefert. Sie überwältigt mich. Im zweiten Fall handelt es sich um Schein, was die Sinne zeigen, doch gerade darin kommt mir das Weltendenken entgegen, es naht mir. Erst wenn ich die Sinneswahrnehmung als Bild, als Schein sehen kann, wird mir die Welt zur Schrift. Im ersten Fall droht das Weltenlicht, die in aller Wahrnehmung verborgene, naturwissenschaftlich erforschbare Weisheit, mein Selbst anzusaugen, wie es im Mantra 7 G beschrieben wird.
Hier im Mantra 14 N geht es im Weltendenken um eine neue Stufe der in der Wahrnehmung enthaltenen Weisheit. Diese Weisheit ist nicht passiv in der Wahrnehmung enthalten, so wie z.B. die geometrischen Gesetze in einer Blume anschaubar sind, sondern sie ist aktiv. Es ist nicht das bereits Gedachte, sondern das schöpferische Denken der Welt in Aktion. Wie denkt die Welt also, wenn alles Wahrnehmbare ein Gedachtes ist? Was weckt mich und hebt die Betäubung auf, dass ich wie die sieben Schläfer der Legende das ewige Leben bezeugen kann?
Vorchristliche Einweihungen brauchten eine Überträger-Linie. Einweihungen, die auf diesen Traditionen beruhen, wie kulturell-schamanische oder religiös-buddhistische Einweihungen brauchen sie noch heute. Im vierten Mysteriendrama (8. Bild) stellt Rudolf Steiner eine ägyptische Einweihungsszene dar. Die Einweihung misslingt, weil der zuständige Priester die Gedankenübertragung, ‑suggestion nicht ausführt. Im “Tibetanischen Totenbuch” und von Andenschamanen wird beschrieben, dass es auch heute noch zur Einweihung gehört, eine Gedankenübertragung zu erhalten und dadurch zu einer Überträgerlinie zu gehören. Die Einweihung ist nur wirksam, wenn die Überträgerlinie nie unterbrochen wurde. Ein Innenstrom wird so weitergegeben. Statt des persönlichen Denkens muss dem Einzuweihenden ein aus Vorzeiten rein erhaltener überpersönlicher Gedankeninhalt suggeriert werden. Anders wird dem individuellen Denkvermögen nicht zugetraut, diese Weisheit erfassen zu können.
Doch zurück zum Mantra 14 N. Das Weltendenken naht mir, es kommt von außen mir entgegen. Es handelt sich hier nicht um die Weitergabe eines aus der Vergangenheit stammenden Inhalts, sondern um die Begnadung mit einem aus der Zukunft durch die Sinneswahrnehmung auf mich zukommenden Denkvermögens. Eine neue Form der Einweihung, die keine Überträger-Linie braucht, sondern vom Leben selber vollzogen wird, ist hiermit angedeutet.
Rudolf Steiner beschreibt die Akasha-Chronik als das Weltgedächtnis: „Das ist die Werkstatt der Welt, die alle Formen in sich einschließt, aus denen die Schöpfung entsprungen ist. Das ist die Ideenwelt Platos, das Reich der Mütter, von dem Goethe spricht und aus dem er das Phantom der Helena aufsteigen lässt. Was auf dieser Stufe des Devachan erscheint, ist dasjenige, was der Inder die Akasha-Chronik nennt. In unserer neuzeitlichen Sprache würden wir es das Astralbild aller Weltereignisse nennen. Alles, was durch den Astralleib der Menschen hindurchgegangen ist, ist hier in einer unendlich subtilen Substanz, die eigentlich eine negative Materie ist, festgehalten“ (Rudolf Steiner, GA 94, S. 82f, in Anthrowiki.at, Akasha-Chronik).
Ach wenn das Weltendenken sich vom Weltgedächtnis sicherlich unterscheidet, wie Denken von Erinnerung, so kann die folgende Schilderung der Vorbereitung zum Lesen in der Akasha-Chronik doch einen Eindruck vermitteln, wie das Weltendenken erlebt werden kann: „Um in der Akasha-Chronik lesen zu können, ist es notwendig, dass man seine eigenen Gedanken den Kräften und Wesenheiten zur Verfügung stellt, die wir in der theosophischen (anthroposophischen) Sprache die <Meister> nennen. Die Meister müssen uns die nötigen Anweisungen geben, um in der Akasha-Chronik lesen zu können, die geschrieben ist in Symbolen und Zeichen, nicht in Worten irgendeiner bestehenden Sprache oder einer, die früher bestanden hat. Solange man die Kraft noch anwendet, die der Mensch beim gewöhnlichen Denken anwendet – und jeder Mensch, der nicht ausdrücklich gelernt hat, sein Ich bewusst auszuschalten, wendet diese Kraft an -, solange kann man nicht in der Akasha-Chronik lesen. Wenn Sie sich fragen: Wer denkt? -, so werden Sie sich sagen müssen: Ich denke. – Sie verbinden Subjekt und Prädikat miteinander, wenn Sie einen Satz bilden. Solange Sie selbst die einzelnen Begriffe miteinander verbinden, sind Sie nicht imstande, in der Akasha-Chronik zu lesen, weil Sie Ihre Gedanken mit dem eigenen Ich verbinden. Sie müssen aber Ihr Ich ausschalten; Sie müssen verzichten auf jeden Eigen-Sinn. Sie müssen lediglich die Voraussetzungen hinstellen und die Verbindung der einzelnen Vorstellungen durch Kräfte außerhalb Ihrer selbst durch den Geist herstellen lassen. Es ist also der Verzicht notwendig – nicht auf das Denken -, wohl aber darauf, von sich aus die einzelnen Gedanken zu verbinden. Dann kann der Meister kommen und Sie lehren, durch den Geist von außen Ihre Gedanken zusammenfügen zu lassen zu dem, was der universelle Weltengeist über Ereignisse und Tatsachen, die in der Geschichte sich vollzogen haben, zu zeigen vermag. Wenn Sie nicht mehr urteilen über die Tatsachen, dann spricht zu Ihnen der universelle Weltengeist selbst, und Sie stellen ihm Ihr Gedankenmaterial zur Verfügung“ (Rudolf Steiner, GA 92, S. 22f, in Anthrowiki.at, Akasha-Chronik).
Aus dieser Schilderung der Vorbereitung wird deutlich, dass das Weltendenken zwar immer im Sinnenschein vorhanden ist und versucht, mich für die geistigen Hintergründe aufzuwecken, doch dauert mein Schlaf fort, bis ich gelernt habe, mein eigenes Denken zum Werkzeug für dieses Weltendenken werden zu lassen. Die Schwelle zur Geistwelt übertritt nur der mit Bewusstsein, der die damit verbundene Prüfung besteht.
Im Mantra heißt es: Das Weltendenken naht sich mir weckend. Das Weltendenken ist ein handelndes Subjekt, ein Jemand, der auf mich zukommt und mich wecken will aus dem betäubenden, mein Selbst raubenden Gedankentraum. Ich werde an den Christus erinnert, der den Jüngling zu Nain oder Lazarus vom Tode erweckt.
Im folgenden Zitat benennt Rudolf Steiner das manifestierte Leben als Akasha. Im Zitat oben bezeichnete Rudolf Steiner Akasha als Weltgedächtnis. Es ist dadurch naheliegend, dass das unten als unmanifeste, schöpferische Substanz beschriebene Leben auch als Weltendenken verstanden werden kann. Wenn das zutrifft, ist mit dem Weltendenken tatsächlich der Sohn und damit der Christus gemeint.
Hier folgt nun das schon erwähnte Zitat Rudolf Steiners, das in der Beschreibung der Trinität den wichtigen Hinweis enthält auf den Christus als “die unmanifestierte schöpferische Substanz, das Leben” und damit auf die Kraft, die die Welt “denkend” erschafft: “Das Erste, woraus alles andere hervorging, ist die unmanifestierte Gottheit. Aus dieser ging dann hervor das Zweite, das Leben oder auch die unmanifestierte schöpferische Substanz. Dieses Leben geht dann hindurch durch die mannigfaltigsten Formen und wird benannt in den Formen Akasha oder Mahat. Dieses Akasha oder Mahat enthält alles, was es an Formen des Lebens in der Welt gibt. Die ganzen Hierarchien der Throne, Cherubim, Seraphim, der Gewalten, Urkräfte, Erzengel und Engel gingen hervor durch das Leben und bilden die Formen, unter denen dies eine Leben erscheint.
Die erste Kraft, die unmanifestierte Gottheit, wird auch der Vater genannt; die zweite Kraft ist der Sohn, der zugleich Leben und schöpferische Substanz ist, und die dritte Kraft ist der Geist. Zusammen erscheinen diese drei Urkräfte also als Vater, Sohn und Geist, als Bewußtsein, Leben und Form. … Die obersten drei sind also:
Unmanifestierte Gottheit Vater [Bewußtsein] |
||
Unmanifestierte schöpferische Substanz [Weltendenken, A.F.] Leben Sohn |
Manifestiertes Leben Akasha, Mahat Form |
(Zitatende; GA 89, S. 255).
Das Weltendenken, die schöpferische, lebendige Kraft, die im Sinnenschein mir naht, die mehr ist als die in der Sinnesoffenbarung enthaltene Weisheit, hat die Macht, mich aus der Betäubung zu wecken.