36 k
In meines Wesens Tiefen spricht
Zur Offenbarung drängend
Geheimnisvoll das Weltenwort:
Erfülle deiner Arbeit Ziele
Mit meinem Geisteslichte,
Zu opfern dich durch mich.
Sankt Martin und Sankt Nikolaus
Das Fest des Heiligen Nikolaus am 6. 12. fällt in die erste oder zweite Adventswoche. Im Folgenden will ich darstellen, welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Sankt Martinstag, dem Sankt Nikolaustag und dem ersten Advent. Die Feste der zwei Bischöfe, Sankt Martin am 11. 11. und Sankt Nikolaus am 6. 12. umrahmen wie zwei Wächter den variablen Beginn des neuen Kirchenjahres am Vorabend des Ersten Advent. Sankt Martin mit seiner opferbereiten Haltung und Sankt Nikolaus aus der Fülle schenkend erinnern in personifizierter Form an die beiden Halbjahre: Sankt Martin mit der Geschichte des Bettlers an das Winter-Halbjahr, Sankt Nikolaus mit der Geschichte des Schenkens an das Sommer-Halbjahr.
Zu Sankt Martin gehen wir mit den Kindern Laternelaufen und tragen unser Licht in die Nacht, so wie wir mit unserem Denken (das laut Rudolf Steiner dem Winterhalbjahr entspricht) lichtvolles Verständnis in verworrene Zusammenhänge bringen. Sankt Martin ist der Bischof des Innenraumes. Die Legende erzählt, dass ihm nach dem Opfer der Hälfte seines Mantels im Traum der Christus erschien.
Zu Sankt Nikolaus stellen wir mit den Kindern unsere Schuhe zum Kamin und erwarten sein Urteil über uns, das er aus dem goldenen Buch des Lebens liest, in Form einer Rute und süßer Gaben. In der Wahrnehmungswelt (die laut Rudolf Steiner dem Sommer-Halbjahr entspricht) gehen wir unseren Lebensweg, dessen Bild die Schuhe sind. Das Karma misst uns ebenso das Unsere zu, legt es auf unseren Weg, wie Sankt Nikolaus die Schuhe füllt. Er hat unerschöpfliche Fülle in seinem Sack, wie auch die Welt eine unermessliche Vielfalt an Wahrnehmungen für uns bereithält. Den Sack der Gaben trägt sein Gehilfe, Knecht Ruprecht. Sankt Nikolaus ist der Bischof des Wahrnehmungsmenschen. Und der Träger der Sinnesorgane dieses Wahrnehmungsmenschen ist unser physischer Körper, unser “Knecht”.
Schon die Daten dieser beiden Feiertage lassen, abgesehen von möglichen geschichtlichen Bezügen, auf eine Botschaft in Gestalt der Zahlen schließen. Beim 11. 11. steht viermal die Eins. Hier kann als Thema die Einzigartigkeit der viergliedrigen Natur des Menschen herausgelesen werden. Es geht also um die Individualität im Leib. Der 6. 12. weist mit der Zwölf auf die zwölf Monate des Jahreslaufs und die Raumwelt. Die Sechs ist die Hälfte der Zwölf. Welche Hälfte dadurch in den Blick genommen wird, erklärt der Seelenkalender. Steht das Sommer-Halbjahr für die Wahrnehmungswelt und damit für den ganzen Kreis, so steht das Winter-Halbjahr für das Denken und damit für den Mikrokosmos, den menschlichen Geist. So betrachtet stellt sich der menschliche Geist als eine in sich vollkommene “Hälfte” der Ganzheit — der makrokosmischen Welt — wahrnehmend gegenüber.
Beim heiligen Tempel in Jerusalem standen die Säulen Jachin und Boas rechts und links und wachten über den Zugang zum Tempel. Der Jahreskreis ist ein geistiger Tempel, seine Eintrittspforte ist mit dem Beginn des Kirchenjahres der 1. Advent bzw. der Vorabend desselben. Die Heiligen Sankt Martin und Sankt Nikolaus kann ich betrachten als die neuen Tempelsäulen an seinem Eingang. Oder ist ein Tag als Eingangstor zu klein? Dann handelt es sich vielleicht um die Zeitspanne vom 11.11. bis zum 6. 12. — also um 26 Tage, die dieses Tor bilden? Jeder Tag entspricht dann einem Buchstaben des Seelenkalender-Alphabetes (Sommer-Halbjahr Großbuchstaben und Winter-Halbjahr kleine Buchstaben) Durch die Mantren ohne Buchstaben kommt es zu der Verschiebung der Buchstaben:
11.11. Sankt Martin | A — a | 24.11. | N — o |
12.11. | B — b | 25.11. | O — p |
13.11. | C — c | 26.11. | P — q |
14.11. | D — d | 27.11. | Q — r |
15.11. | E — e | 28.11. | R — s |
16.11. | F — f | 29.11. | S — t |
17.11. | G — g | 30.11. | T — u |
18.11. | H — h | 1.12. | U — v |
19.11. | I — i | 2.12. | V — w |
20.11. | K — k | 3.12. | W — x |
21.11. | ! — l | 4.12. Sankt Barbara | X — y |
22.11. | L — m | 5.12. | Y — ! |
23.11. | M — n | 6.12. Sankt Nikolaus | Z — z |
Wer im Advent erwartet wird, wer durch dieses Tor eintreten soll, ist die ewig durch die Welt wallende schöpferische Macht, der wiederkommende Christus, der als Logos und Weltenwort bezeichnet wird (siehe auch 35 i). Wie kann sichergestellt werden, dass dieser Gott in seiner Macht und Größe durch die enge Pforte passt? Wie kann man sicher sein, dass er in Zukunft im Inneren anzutreffen ist? Offensichtlich ganz einfach, indem das Tor so breit ist, dass alle 26 Buchstaben des Alphabetes vertreten sind, denn dann sind alle Bestandteile jeder möglichen Wortbildung und damit Schöpfung vorhanden. Deshalb beträgt der Abstand zwischen den Säulen, von Sankt Martin bis Sankt Nikolaus 26 Tage — für jeden Buchstaben im Alphabet ein Tag. Da im Seelenkalender ein Alphabet einem Halbjahr entspricht, so lässt sich dieses als der Torbogen darstellen.
“Zu opfern dich durch mich” — das Opfer und das Weltenwort, der Logos
Seit sehr alten Zeiten ist der Weg, um mit einem höheren Wesen, einem Gott, in Verbindung zu kommen oder diese Verbindung aufrecht zu erhalten, das Opfer. Das Wort “Opfer” stammt von lat. operor, und bedeutet “an oder für etwas arbeiten, der Gottheit dienen, opfern”.
Blutopfer von Menschen oder Tieren waren in sehr vielen urzeitlichen Kulturen verbreitet, Tieropfer sind es bis heute. Das Alte Testament schildert das Blutopfer von Abel, das Jahve wohlgefällig angenommen hat, während er Kains Opfer, die Früchte des Feldes, zurückwies. (1. Mos. 4,3 LUT). Unblutige Opfer von Früchten, Blumen, Getreide oder von Brot und Wein sind bis heute ebenso in vielen Kulturen gebräuchlich.
Die Opfer waren in der Zeit vor Christus notwendig, um die Menschen von zu stark wirkender Egoität zu reinigen, deren Träger das Blut ist, so wie auch des Ichs. Rudolf Steiner sagt: “Das Blut ist … der Ausdruck des Feuers, vom Feuer durchglühte Substanz. Wie der menschliche physische Leib der Ausdruck der Erde ist, der Ätherleib der Ausdruck des Wassers, der Astralleib der Ausdruck der Luft, so ist das Ich, das noch nicht an den Egoismus gekettet ist, der Ausdruck des Feuers. Wir sagen daher …, daß das Blut durch den Egoismus den Tod gefunden hat. Das Ich des Menschen «verzehrt sich in seinem eigenen Feuer», durch sich selbst. … Nur wenn der Mensch die Ichsucht überwindet, erlangt er die Unsterblichkeit.” (Lit.: GA 101, S. 220ff)
An anderer Stelle sagt er: “Der höchste Erdengeist mußte in einem Leibe inkarniert werden. Dieser Leib mußte absterben, getötet werden, das Blut mußte rinnen. Das bedeutet etwas Besonderes. Überall, wo Blut ist, ist das Selbst. Sollen alle alten Selbstgemeinschaften aufhören, dann muß die Selbstheit, die im Blute sitzt, einmal hingeopfert werden. Alle Einzelegoismen fließen hin mit dem Blute Christi am Kreuze. Das Blut der Stammesgemeinschaften wird ein gemeinsames Menschenblut dadurch, daß in jenem Zeitpunkt das Blut Christi geopfert worden ist.” (GA 97, Vortrag: 2. 12. 1906, Das Mysterium von Golgatha, S. 75)
Die Kreuzigung wird im Christentum als das größte Blutopfer betrachtet. Christus, brachte sich selbst im Mysterium von Golgatha als Opfer am Kreuz dar, um die Menschheit zu erlösen. Mit dem heiligen Abendmahl inaugurierte er vorher am Gründonnerstag das unblutige Opfer von Brot und Wein.
Rudolf Steiner führt aus: “Paulus, ein Eingeweihter, nennt Christus den umgekehrten Adam. In Adam haben wir den ersten Menschen, der zuerst in dieser Form erscheint. Damit ist der geistige Mensch in die Inkarnation auf der Erde versetzt. Nun kann er einen zweifachen Weg nehmen. Er kann das nehmen, was die Götter ihm geben, oder sich selbst etwas Neues erwerben. Das ist die Geschichte von Kain und Abel. Abel nimmt die Tiere, die da sind. Kain erarbeitet, was er opfert. Durch das, was Kain erarbeitet, entsteht das Brot. Brot war immer der Repräsentant für das, was der Mensch selbst erarbeitet. Der Mensch ist dadurch, daß er das Brot erarbeitet, sündig geworden. Kain hat den Bruder erschlagen. Zugleich mit der eigenen Arbeit ist der Mensch sündig geworden, er ist in die Materie herabgefallen.
Der umgekehrte Adam ist Christus Jesus, der wieder hinaufsteigt. Er muß das mit seinem Blut erkaufen. Das mußte einmal durch eine Persönlichkeit geschehen. Das Brot und der Wein finden ihren Repräsentanten in der Person Christi, in seinem Leib und Blut. Die Kainstat muß der Herr selbst auf sich nehmen: Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut. — Die Erlösung muß dadurch geschehen, daß das, was auf der Erde ist, geheiligt wird. Der Wein repräsentiert das beim Abendmahl, das Blut kommt dadurch in Beziehung zum Wein.” (Lit.: GA 97, S. 22f)
Das Weltenwort ist ein sehr altes und in vielen Kulturen gebräuchliches Bild für die schöpferische Kraft, die die Welt stetig fortlaufend erschafft. Das Weltenwort opfert sich nicht nur fortlaufend in seine Geschöpfe hinein, es inkarnierte sich auf einmalig vollständige Weise in Christus. Das Wort ward Fleisch (Joh. 1:14). Das Weltenwort und das Opfer sind zwei Themenfelder, die ursächlich zusammengehören.
Mit dem Weltenwort verbunden sind die beiden hohen Ätherarten, die dem Menschen mit dem Sündenfall entzogen wurden und im Baum des Lebens ausgedrückt sind: der chemische Ton- oder Zahlen-Äther und der Wort- Sinn-Äther oder Lebensäther. Beide Ätherarten wirken auch im Denken des Menschen und können hier erlebt werden. Rudolf Steiner sagt: “Das aber was der Mensch als Denken in seiner Seele erlebt, was wir in den Worten aussprechen — Worte sind ja auch nur Schattenbilder des Denkens -, hat sein Ätherogan in dem Tonäther. Unseren Worten liegen die Gedanken zugrunde, sie erfüllen den ätherischen Raum, indem sie ihre Schwingungen durch den Tonäther schicken. Dasjenige aber, was allen unseren Worten Sinn gibt, was das Innerliche unserer Gedanken ist, der Sinn, der hat im Lebensäther seinen Ausdruck.” (GA 114, 7. Vortrag 21.9.1909, Achiati Verlag 2006, S. 183) Diese Ätherarten ermöglichen dem Menschen die Erkenntnis überpersönlicher Wahrheit, die Grundlage jeder Verständigung und Verbindung.
Was sagt mir das Mantra 36 k?
Das Weltenwort wird in mehreren Mantren erwähnt, doch nur zwei machen seine Botschaft hörbar: das ist das Mantra 17 Q und das gegenwärtige Mantra 36 k. Diese beiden Sprüche entsprechen sich grammatisch, sie spiegeln. Auch im Mantra 17 Q spricht das Weltenwort von innen, denn es heißt, dass ich es durch Sinnestore in Seelengründe führen durfte. Meine Geistestiefen soll ich dort mit Weltenweiten erfüllen, um einst das Weltenwort in mir zu finden. Nun ist es soweit!
In der Tiefe meines Wesens spricht das Weltenwort. Es klingt aus meiner Tiefe heraus und drängt zur Offenbarung. Das Weltenwort ist die Macht, die die Welt aus dem Sinn, der sich menschlich durch Worte vermittelt, erschaffen hat. Diese Macht drängt in mir, um sich sprechend zu offenbaren. Das Weltenwort spricht in mir, indem es das Leben immer neu zeugt, erhält, umgestaltet, entwickelt und transformiert. Der Ort dieser Offenbarung ist die Tiefe meines Wesens.
Wie erlebe ich denn die Tiefe meines Wesens? Ich fühle in meine Tiefe, wenn ich in meinen Leib hineinfühle bis in die Knochen. Hier, wo sich Tod und Leben begegnen im blutbildenden Mark der mineralischen Knochen, habe ich das Gefühl, ganz unten in meiner Tiefe angekommen zu sein. Das, was das Weltenwort hier spricht, betrifft mich elementar. Es gestaltet aus dieser Tiefe meine Schicksalsgrundlage, meine Fähigkeiten und Einschränkungen bis hin zu den körperlichen Gegebenheiten und Krankheiten. Mein Körper ist die Offenbarung dieses aus der Tiefe ertönenden, zur Offenbarung drängenden Weltenwortes.
Das Weltenwort spricht geheimnisvoll. Doch ist es auch verständlich, was es sagt? Dafür, so sagt Rudolf Steiner, muss man lernen, die okkulte Schrift zu lesen. Alles in der Natur muss einem zum Gleichnis werden. Die Betrachtung zu den beiden Heiligen, Sankt Martin und Sankt Nikolaus ist ein Versuch, im Arrangement der Feste zu lesen.
Stellen auch die Buchstaben in der Überschrift der Mantren einen solchen Einweihungsweg dar? Hier ein paar Ideen zu den Buchstaben der beiden “Weltenwort-Mantren” 17 Q und 36 k:
Im “Q” des Mantras 17 Q klingt mit, was sich durch Worte wie Qual, Qualität, Quelle oder Qualle vermittelt. Das Weltenwort dieses Mantras ist pur und ungeformt wie die Qualle in die Seele eingetreten, um dort die sprudelnde Quelle des Lebens hervorzubringen. Doch kann es erst “einst” — nach qualvollem Warten — gefunden werden.
Das “k” des Mantras 36 k vermittelt die Entschlossenheit und Kraft des Weltenwortes, seinen Opferwillen im Spaltenden des Keils und seine berührende Begegnung im Kuss.
Auch dies ist ein möglicher Zugang zu den Mantren — das ganze Jahr zwei Alphabete, zwei Weltenworte. Rudolf Steiner sagt über das Alphabet: “Kurz, es würde, was man so hintereinander als die Namen des Alphabets aussprechen würde, nicht das Abstrakte sein, wie wenn wir heute A, B, C sagen und uns dabei eigentlich gar nichts denken können, sondern es würde der Ausdruck für das Menschengeheimnis, für die Wurzelung des Menschen in der Welt sein.“ (GA 209, S. 108f) Und an anderer Stelle: “Der ätherische Mensch ist das Wort, das das ganze Alphabet umfaßt.“ (Lit.: GA 279, S. 46ff)
Nun folgt im Mantra die wörtliche Rede des Weltenwortes. Das Weltenwort gibt dem Leser einen Auftrag. Es ist ein Befehl. Ich muss die Ziele meiner Arbeit mit dem Geisteslicht des Weltenwortes erfüllen, um mich dadurch zu opfern. Drei Fragen stellen sich: was ist das Geisteslicht des Weltenwortes, um welche Ziele meiner Arbeit kann es sich da handeln und wie opfere ich mich durch das Weltenwort?
Das Geisteslicht des Weltenwortes ist der Lebensäther, der gemeinsam mit dem chemischen oder Tonäther als objektivierende Kraft im Denken wirkt, weil er gleichzeitig sinngebend in allem Erschaffenen und dadurch in allem Wahrzunehmenden vorhanden ist. Er ist die Kraft, die sowohl die Außenwelt als auch die menschliche Innenwelt mit Sinn, das heißt mit Weisheit erfüllt. Gleichzeitig ist das Weltenwort auch die Leben schenkende Kraft der Liebe, die alle Geschöpfe erhält. Erfülle ich nun die Ziele meiner Arbeit mit dem Geisteslicht des Weltenwortes, erfülle ich sie also mit Weisheit und Liebe, so wirke ich im Sinne des Weltenwortes — so gut ich es gegenwärtig vermag. Dadurch opfere ich meinen, mir von der Natur mitgegebenen Egoismus und handele selbstlos zum Wohle aller.
Frage ich mich, um welche Arbeit es sich vor allem handelt, deren Ziele ich mit dem Geistlicht des Weltenwortes erfüllen soll, so kann es eigentlich nur um die Arbeit an der eigenen Seele, der eigenen Persönlichkeit gehen. Jedes Mal, wenn eine gewohnte Sichtweise auf die eigene Persönlichkeit oder die Welt aufgegeben, ein Urteil korrigiert wird, muss ein Stück des Selbstbildes geopfert werden. Dieses Opfer kann für manche Menschen so schwer und beängstigend sein, dass sie lieber an schädlichen Haltungen festhalten. Sie haben Angst sich zu verlieren, wenn sie sich neu ausrichten und neu bestimmen, was für sie wahr, gut und richtig sein soll.
Mit dem Aufruf sich zu opfern, ruft das Mantra den Leser zur Nachfolge Christi auf.