42 q
Es ist in diesem Winterdunkel
Die Offenbarung eigner Kraft
Der Seele starker Trieb,
In Finsternisse sie zu lenken
Und ahnend vorzufühlen
Durch Herzenswärme Sinnesoffenbarung.
Denken und Wille — Herbst und Frühling in der Seele
Das Mantra 42 q spricht von dem starken Trieb der Seele, die eigene Kraft zu offenbaren. Für mein Dafürhalten spricht das Mantra vom Willen, von einer der drei Seelenfähigkeiten. Diese sind: Denken, Fühlen und Wollen. Ich erkenne sie im Seelenkalender in seiner Ausrichtung als Ei, das heißt, wenn Ostern (1 A) unten liegt. Die drei Seelenfähigkeiten finden ihren schönsten imaginativen Ausdruck in der Maria auf der Mondsichel im Strahlenkranz. Der Wille ist ausgedrückt in der Mondsichel, auf der die Maria steht. Sie bildet sich aus den zu Ostern gehörenden Wochen, die etwa ein Drittel des Jahres umfassen. Ihr Fühlen strahlt im Strahlenkranz aus dem Kreiszentrum und bildet die mittlere Schicht. Ihr Denken wird ansichtig im oberen Drittel des Jahreskreises durch die Krone von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.
Rudolf Steiner hat diesen dreigliedrigen Menschen aus Denken, Fühlen und Wille gemalt. Das Bild erinnert an ein Ei mit Mondsichel, weshalb ich den Jahreslauf entsprechend daraufgelegt habe. In seinen Beschreibungen der drei Seelenfähigkeiten von Rudolf Steiner gibt es solche, in denen Denken und Wille so kontrastieren, dass sie an Frühling und Herbst denken lassen (siehe unten). Das Denken zeitigt Wirkungen, die wir mit Herbst verbinden, der Wille solche, die uns an Frühling denken lassen. Hier zeigen sich Übereinstimmungen mit dem von mir verwendeten Jahreslauf. In der Darstellung als Ei ist der Frühling unten beim Willens-Menschen, der Herbst oben beim Denk-Menschen.
Der dreigliedrige Mensch, Zeichnung von Rudolf Steiner mit dem von mir ergänzten Jahreslauf des Seelenkalenders
Rudolf Steiner sagt über das Denken und den Willen (der Jahreslauf-Hinweis in Klammern ist von mir ergänzt): “Da haben wir auch während des Wachzustandes die dreigliedrige menschliche Seele: die wache Seele, die vorstellt, die träumende Seele, die fühlt, und die wollende Seele, die schläft, so daß der Mensch im gewöhnlichen Bewußtsein niemals sagen kann, was eigentlich da unten in den Zuständen vor sich geht, in denen der Wille webt und lebt. …
Beim Vorstellen findet ein fortwährendes Ablagern von salzartigen Bestandteilen statt. Erdige, salzartige, aschenartige Bestandteile sondern sich aus dem Organismus ab, so daß, physisch gesprochen, das Denken, das Vorstellen ein Salzablagern ist. [Herbst-Prozess, A.F.] Das Wollen ist ein Verbrennen. Und dem Anschauen, dem geistigen Anschauen stellt sich das menschliche Leben als ein fortwährendes Salzablagern von oben und als ein Verbrennen von unten herauf dar. Dieses Verbrennen, das macht, daß wir, wenn ich mich so ausdrücken darf, im Feuer des eigenen Leibes mit dem gewöhnlichen Bewußtsein nicht wahrnehmen können, was der Wille eigentlich ist. Dieses Verbrennen bewirkt, daß wir den Willen, alles Wollen fortwährend verschlafen.
Aber was wird uns denn da unsichtbar für das gewöhnliche Bewußtsein, wenn wir den Willen verschlafen? Wenn man nun in dieses organische Feuer, das fortwährend durch den Willen entsteht, mit den Mitteln der Geistesanschauung hineinleuchtet, dann nimmt man wahr, daß in diesem Feuer die Wirkungen unseres moralischen Verhaltens in dem vorhergehenden Erdenleben leben. Da drinnen lebt dasjenige, was man menschliches Schicksal, menschliches Karma nennen kann. [Die Samen des letzten Jahres, das Karma des letzten Lebens, sie keimen, es ist Frühling, A.F.] ” (Lit.: GA 226, S. 61f, Hervorhebung A.F.)
Auch in dieser Ausführung von Rudolf Steiner scheint die Jahreslauf-Idee durch: „Während man also im Denken nach innen getrieben wird durch das Verhältnis des Ich zu dem mineralisierten Teil des menschlichen Organismus [Herbst, auf den Winter zugehend, A.F.], wird man im Wollen geradeso wie im Schlafe nach außen getrieben [Frühling, auf den Sommer zugehend, A.F.]. Und niemand versteht das Wollen, der nicht den Menschen als kosmisches Wesen auffaßt, der nicht hinausgeht aus den Grenzen des menschlichen Leibes, der nicht weiß, daß der Mensch im Wollen sich außerhalb seines Leibes liegende Kräfte eingliedert. Wir versenken uns in die Welt, wir geben uns an die Welt hin, indem wir wollen. So daß wir sagen können: Die materielle Begleiterscheinung des Denkens ist ein mineralischer Prozeß in uns, ein Zeichnen des Ich in mineralisierte Teile des menschlichen Organismus. Das Wollen in uns stellt dar ein Vitalisieren [Frühlings-Prozess, A.F.], ein Herausbreiten des Ich, ein Eingliedern des Ich in die geistige Außenwelt, und ein Wirken auf den Leib vom Ich aus, aus der geistigen Außenwelt herein.“ (Lit.: GA 209, S. 131f)
Das Denken ist ein Mineralisieren, ein Ablagern von erdiger, salzartiger bzw. ascheartiger Substanz — ein Herabrieseln, wie es im Herbst bei den Blättern zu beobachten ist, d.h. eine Bewegung von oben nach unten.
Das Wollen ist ein Verbrennen und eine Bewegung von unten herauf. In ihm leben die Wirkungen der Taten des letzten Lebens, das Karma bzw. Schicksal gleich Samen, die im letzten Vegetationszyklus gereift sind. Gleichzeitig ist das Wollen ein Vitalisieren, wie es dem Frühling entspricht.
Wollen und Denken als Frühlings- und Herbstprozess
Obige Abbildung zeigt den Jahreslauf als Kreis mit dem Sommer-Halbjahr oben und dem Winter-Halbjahr unten. Diese Abbildung unterscheidet sich von der ersten, die den Jahreslauf als Ei zeigt. Die auf- und absteigende Bewegung von Wollen und Denken ist in der zweiten Abbildung sichtbar. Im Frühling vollzieht der Zeitenlauf einen Aufstieg, im Herbst einen Abstieg — wie Rudolf Steiner es für das Wollen und Denken beschreibt.
Den Worten Rudolf Steiners folgend, kann beim Wollen außerdem von einer nach Außen sich ausweitenden Bewegung gesprochen werden, beim Denken von einer nach Innen gehenden, konzentrierenden Bewegung. Das entspricht beim Wollen dem Schritt vom Winter-Halbjahr, dem Innen in das Sommer-Halbjahr, dem Außen, beim Denken entsprechend dem Schritt vom Sommer-Halbjahr ins Winter-Haljahr, von Außen nach Innen. Das entspricht beim Wollen einer auswickelnden Spiralbewegung, beim Denken einer einwickelnden.
Winterdunkel — die Jahreszeiten-Worte im Seelenkalender
“In diesem Winterdunkel” geschieht, was das Mantra 42 q von der Seele und ihrem starken Trieb, sich zu offenbaren, schildert. Das Mantra liegt zeitlich im Januar — im Winter, weshalb diese Information zur Jahreszeit leicht als Selbstverständlichkeit hingenommen wird — wie auch die meisten anderen im Seelenkalender vorkommenden, auf Jahreszeiten bezogenen Aussagen.
In neun Mantren finden sich 17 Jahreszeit-Worte im Seelenkalender:
Sommer-Worte | Herbst-Worte | Winter-Worte |
9 I: sommerkündend | ||
10 K: zu sommerlichen Höhen | ||
23 W: Sommer | 23 W: herbstlich, des Herbstes | 23 W: Winterschlaf (auch: Weltenschlaf) |
25 Y: Winterfluten | ||
27 a: Sommersonnengabe | 27 a: Herbstesstimmung | |
29 c: Sommererbe | 29 c: Herbstesruhe | 29 c: Winterhoffnung |
30 d: Seelensommer | 30 d: des Herbstes Geisterwachen | 30 d: Winter |
42 q: Winterdunkel | ||
43 r: in winterlichen Tiefen |
Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass vom Sommer, Herbst und Winter gesprochen wird, nicht jedoch vom Frühling. Warum fehlt in den Mantren die Erwähnung des Frühlings, obwohl gerade der Frühling mit beseligenden Gefühlen assoziiert ist? Eine Erklärung könnte das von Rudolf Steiner angegebene Erleben der Wesensglieder in den Qualitäten der vier Jahreszeiten sein.
“Und man hatte, wenn der Frühling zu Ende gegangen war, etwa im Mai, den Eindruck, jetzt verstehe man, wie der menschliche physische Leib aus dem Schoße des Weltenalls heraus gestaltet, geformt ist. …
Und die Geheimnisse dieses Ätherleibes las man auf diese Weise ab aus dem, was sich im Ätherleben wieder später zwischen der Erde und dem Weltenall im Weltenlogos ereignet, der seine Zeichen auf die Erdoberfläche selber hinmalt, indem er die Pflanzen blühen läßt, indem er den Tieren gewisse Lebensarten während der Hochsommerszeit verleiht. …
Und es war in der Herbsteszeit, wo die Inspirierten und Initiierten des Jahr-Gottes aus dem Wesen der Natur heraus lasen und mit ihm zusammen die Geheimnisse des menschlichen astralischen Leibes ersannen. …
Der Mensch wußte, daß er sich nur dann in seinem tiefsten Wesen, in seinem Ich-Wesen begreifen kann, wenn er sich über dieses Ich-Wesen sagen läßt, was der Weltenlogos hineingeheimnißt in alles, was mit der Natur vor sich geht, wenn die Schneedecke die Erde zuhüllt und Kälte das Leben zusammenzieht im Umkreise der Erde. Die Initiierten und Inspirierten des Jahr-Gottes sollten seine Schrift kennenlernen aus dieser Schrift der Jahreszeit des Winters heraus.” (GA 219, 9. Vortrag, 24.12.1922, Hervorhebungen A.F.)
Im Seelenkalender geht es tatsächlich nicht um das Erleben des äußeren Jahreslaufes und ganz offensichtlich auch nicht um das des physischen Leibes, denn nirgends wird der Frühling erwähnt oder ein “Frühling” beinhaltendes Wort gewählt. Die anderen Jahreszeiten-Worte sind deshalb als Hinweis auf das entsprechende Wesensglied zu lesen: wird der Sommer erwähnt, geht es um ätherische Prozesse, ist vom Herbst die Rede, so deutet dies auf den Astralleib und wenn Winter erwähnt wird, sind Aspekte des Ichs gemeint.
Was erlebt das Ich also an den Winter-Worten im Seelenkalender? Es ist die Aufgabe des Ichs, die unteren drei Wesensglieder in die oberen drei umzuwandeln. Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich die Winter-Worte folgendermaßen zuordnen:
- 23 W: Winterschlaf — physischer Leib
- 25 Y: Winterfluten — Ätherleib
- 29 c: Winterhoffnung — Astralleib
- 30 d: Winter — Geistselbst
- 42 q: Winterdunkel — Lebensgeist
- 43 r: in winterlichen Tiefen — Geistmensch
Für die Sommer- und Herbst-Worte hat sich mir bisher noch nichts Sinnvolles ergeben
Wovon spricht das Mantra 42 q?
Das Mantra 42 q ist das mittlere von drei Mantren in Folge, in denen es keinen bewussten Ich-Sprecher, keinen mit Bewusstsein am Prozess beteiligten Menschen gibt. Stattdessen ist in diesem Mantra die Seele der Akteur des Geschehens. Die Seele hat den starken Trieb, ihre eigene Kraft zu offenbaren. Es treibt sie, ihre eigene Kraft zur Erscheinung zu bringen. Diese elementare, treibende, unbewusst triebhaft wirkende Kraft ist unschwer als die Kraft des Willens zu erkennen. Der Wille wirkt in den Untergründen des Bewusstseins, der Wachheitsgrad der Seele entspricht dem Schlafzustand, wie Rudolf Steiner angibt. Bewusst wird uns nur das Motiv unseres Wollens, nicht die eigentliche Seelenfähigkeit in ihrem Wirken. Es ist Winterdunkel um die Seele. Kein Bewusstseinslicht erhellt den Seelenraum. Außerdem ist es kalt dort, denn es ist Winter.
Aus dieser pflanzenhaften Hingabe strebt die Seele heraus, es treibt sie heraus und sie begibt sich in eine konfrontative Situation. Kraft braucht Widerstand, um sich zu offenbaren. Die Seele stellt sich dem so verstandenen Winterdunkel entgegen. Sie will ihre eigene Kraft einsetzen, die Wirkung der Kraft erleben, indem sie diese in die Finsternisse lenkt. Das Ziel ist es, Sinnesoffenbarung zu gewinnen, also eine gewisse Menge an Licht in diese Finsternisse zu lenken. Doch Licht hat die Seele (noch) nicht zur Verfügung, nur Wärme, Herzenswärme. Und trotzdem treibt es sie schon, ihre Kraft zu offenbaren. Es entsteht ein Erleben von Eingeschlossen-sein und Aufbegehren — von einem Küken im Ei, das herauswill, oder einem Keim, der im Samen beginnt sich zu regen, ohne schon hervorgebrochen zu sein. Das Wort “Trieb” deutet zum einen auf ein pflanzenhaftes Seelengeschehen, zum anderen auf einen Prozess, in dem die Seele einer instinkthaften Notwendigkeit folgt.
Die entscheidende Eigenschaft, die die Veränderung herbeiführen soll, ist die Herzenswärme. Durch sie soll Sinnesoffenbarung — die Offenbarung von Sinn, von Bedeutung — ahnend vorgefühlt werden können. Noch ist es für die eigentliche Sinneswahrnehmung zu früh. Die Seele scheint noch nicht reif dafür zu sein. Doch sehnt sie sich schon danach, tastet fühlend nach außen. Mir scheint die Seele in einem Stadium zu sein, das zwischen Pflanze und Tier oder zwischen Kalt- und Warmblüter liegt. Die Herzenswärme, die eigene Blutwärme ist die Offenbarung der eigenen Kraft nach außen. Wärme strahlt von innen nach außen und teilt der Umgebung mit, dass hier ein Eigenwesen ist. Und nur ein Eigenwesen kann auch einen eigenen Willen entwickeln. Rudolf Steiner sagt deutlich, dass der Wille den inneren Verbrennungsprozess als physische Grundlage benötigt.
Der frühlingshafte, treibende, aus sich herausstrebende und verlebendigende Charakter des Willens, wie Rudolf Steiner ihn in den beiden Zitaten oben beschreibt, zeigt sich im Mantra. Beim Wahrnehmungsvorgang geschieht etwas ähnliches. Auch hier geht der Mensch aus sich heraus. Rudolf Steiner sagt: “In Wahrheit ist der Mensch gar nicht drinnen innerhalb seiner Haut [mit seinem Geistig-Seelischen]; das ist er gar nicht. Wenn der Mensch zum Beispiel dieses Rosen-Bukettchen [diesen Rosenstrauß] sieht, so ist er mit seinem Ich und Astralleib in der Tat da drinnen in dem Bukettchen, und sein Organismus ist ein Spiegelungsapparat und spiegelt ihm die Dinge zurück. Sie sind in Wahrheit immer ausgebreitet über den Horizont, den Sie überschauen.“ (Lit.: GA 156, S. 22f)
Wollen und Wahrnehmung sind also zwei miteinander verwandte Vorgänge. Vor diesem Hintergrund erstaunt es weniger, dass die Seele mit der Offenbarung ihrer eigenen Kraft nach Sinnesoffenbarung strebt. Es fällt auf, dass es in beiden Fällen um Offenbarung geht. Das, was vorher versteckt im Innern wesenhaft war, wird in der Offenbarung sichtbar, tritt nach außen und zeigt sich der Welt. Die Seele offenbart ihre eigene Kraft und zeigt damit, dass sie ein von anderen Wesen getrenntes Eigenwesen ist. Nun, da sie sich als getrennt erlebt, strebt sie nach Sinnesoffenbarung, dass sich ihrerseits die Welt, der Welt Sinn und Ziel offenbaren möge.
Ich habe den Eindruck, dass dies noch nicht alles ist. Warum wird das Herz erwähnt? Warum ist Herzenswärme, also Mitgefühl nötig? Wir erleben Wahrnehmung zunächst einmal recht neutral, fast unbeteiligt, wenn sie uns keinen Handlungsbedarf vermittelt. Sich berühren zu lassen von der Wahrnehmung erfordert hingegen, sich wirklich einzulassen auf die Wahrnehmung. Das geschieht beim Erwachsenen meist nicht von alleine. Was wird also durch Herzenswärme sichtbar? Die Cherokee, Natives aus Amerikas haben ein besonderes Wort: „Shante Ishta“. Es bedeutet „das einzige Auge des Herzens“. Dieses Auge kann den Frieden im Sein sehen, die Einheit allen Lebens. Es ist das verlorene dritte Auge, das dem Anderen nicht gegenübersteht, nicht getrennt ist von ihm, sondern eins ist mit ihm durch warmes Mit-Fühlen. Das Mantra sagt: Durch Herzenswärme, durch warmes Mitgefühl kann die Seele ahnend Sinnesoffenbarung gewinnen.
Was wird durch diese nach außen drängende, rohe Trieb-Kraft zusammen mit der Herzenswärme ahnend, vorausfühlend sichtbar? Könnte es vielleicht sein, dass die im Willensfeuer wirkenden, aus dem letzten Leben stammenden karmischen Kräfte in diesem Willens-Frühlingsprozess der Seele auskeimen und dadurch erkennbar werden? Dass ihr Wirken sich dem warm fühlenden Herzen zeigt, noch bevor die Ergebnisse in der physischen Welt in die Sichtbarkeit getreten sind? Könnte es außerdem sein, dass die karmischen Konsequenzen von noch ungetanen Taten ahnend vorausgefühlt werden können, sofern der Trieb zu ihnen schon besteht?
In Finsternisse will die Seele ihre eigene Kraft hinlenken. Nichts liegt in der Seele so im Finstern wie die eigenen Unzulänglichkeiten, der eigene Schatten — die Wahrheit über unsere Wirkung auf andere Wesen. Wie lässt sich dieser Schatten trotzdem erkennen? Parzival wurde durch Mitleid sehend, heißt es. Mitgefühl nennen wir es heute. Und das meint gerade nicht die eigenen Gefühle zu fühlen, sondern die des Gegenübers wahrzunehmen, die Gefühle, die unsere Taten ausgelöst haben oder auslösen werden. Ahnend vorfühlen will die Seele die Sinnesoffenbarung. Gelingt diese Vorwegnahme, kann die folgende Handlung zum Segen werden. Gelingt sie nicht, ist sie zwar gut gemeint, verfehlt aber häufig ihr Ziel. Zur Offenbarung der eigenen Kraft, der eigenen Wirksamkeit gehört unbedingt auch das Streben nach ahnend vorausfühlender Wahrnehmung der Wirkung. Diese Wahrnehmung ist nur dem warm fühlenden einzigen Auge des Herzens möglich.