Die spiegelnden Mantren 9 I (großes i) und 44 s

9 I (großes i)

Vergessend meine Willenseigenheit

Erfül­let Wel­tenwärme sommerkündend

Mir Geist und Seelenwesen;

Im Licht mich zu verlieren

Gebi­etet mir das Geistesschauen,

Und kraftvoll kün­det Ahnung mir:

Ver­liere dich, um dich zu finden.

44 s

Ergreifend neue Sin­nes­reize

Erfül­let See­len­klarheit,

Einge­denk vol­l­zo­gen­er Geist­ge­burt,

Ver­wirrend sprossend Weltenwerden

Mit meines Denkens Schöpfer­willen.

.….

.….

44 s (Zeilen umgestellt)

Ergreifend neue Sinnesreize

Mit meines Denkens Schöpferwillen,

Erfül­let Seelenklarheit,

Ver­wirrend sprossend Weltenwerden

- Einge­denk vol­l­zo­gen­er Geistgeburt -.

(Siehe über die Umstel­lung der Zeilen Blog 44 s)

 

Fronleichnam, Maria Lichtmess am 2. Februar und die bewegliche Osterzeit

Fron­le­ich­nam ist nach Him­melfahrt und Pfin­g­sten das let­zte Fest, dessen Datum durch den Abstand zum Oster­fest jedes Jahr neu fest­gelegt wird. Es liegt stets am Don­ner­stag in der neun­ten Woche nach Ostern. Die danach kom­menden Feste sind an feste Dat­en und dadurch an die Sonne im Jahres­lauf gebunden.

Inwiefern das Fron­le­ich­nams­fest rel­e­vant ist für den See­lenkalen­der und das Ver­ständ­nis des Jahreskreis­es, habe ich im Blog­a­r­tikel 9 I aus­führlich dargestellt. Wird dieser Gedanke akzep­tiert und auch meine Ansicht, dass die vor- und nachöster­liche Zeit die gle­iche Anzahl an Wochen haben sollte, bilden die Wochen 44 s und 9 I die erste und die let­zte Woche der Osterzeit. Sie umfassen eine Zeitspanne von 18 Wochen, in denen der Mond die anson­sten beste­hende alleinige Son­nen­herrschaft über das Jahr über­formt. Das geschieht durch die Regelung des Oster­da­tums, bei der der erste Voll­mond nach der Tag- und Nacht­gle­iche im Früh­ling stets in der Kar­woche liegt. Dieser Voll­mond wirkt jew­eils zwei Mondzyklen voraus und zwei Mondzyklen nach.

Das Mantra 44 s sehe ich als das erste Mantra an, das von der kom­menden Osterzeit “ergrif­f­en” wird. Wird dieser Ein­fluss nicht beachtet und die Wochen nach Wei­h­nacht­en fort­gezählt, liegt Lichtmess am 2. Feb­ru­ar meist in der Woche 44 s. Der Lichtmess-Tag ist der 40. Tag nach Wei­h­nacht­en und beze­ich­net das Erstarken der neuen Sonne, den Beginn des neuen Lebens. Der 1. oder 2. Feb­ru­ar ist auch der Tag des keltischen Imbolc oder Oimelc Fests, das der Göt­tin Brigid gewid­met ist. Imbolc bedeutet “Run­dum-Waschung” und Oimelc den Ein­schuss der Schaf­s­milch bei den Mut­ter­schafen, das erste Milchgeben. Diese weib­lich-wäss­rige Fest­sym­bo­l­ik deutet hin auf einen erneuern­den, beleben­den Impuls. Er konkretisiert sich in der Osterzeit, denn die gesamte Fes­teszeit erweist sich als eine flüs­sig-bewegliche Zeitspanne.

Die mit der Woche 44 s begin­nende und mit der Woche 9 I endende soge­nan­nte Oster­scholle ist eine Zeitspanne, die jährlich einzi­gar­tig und dadurch sozusagen ewig jung ist. Sie indi­vid­u­al­isiert das Jahr, das anson­sten dem ewig gle­ichen zyk­lis­chen Rhyth­mus der vier Jahreszeit­en fol­gt. Diese vom Kalen­der-Datum rel­a­tiv unab­hängi­gen, aber fest miteinan­der ver­bun­de­nen 18 Wochen im Jahr sind wie ein großes Jet­zt im steti­gen Fluss der Zeit. Sie sind Bild ein­er göt­tlich-freien Schöpfer­tat, die in die irdis­che Notwendigkeit verän­dernd und umgestal­tend eingreift.

Das Tao und die Osterscholle

Die Oster­scholle liegt gewis­ser­maßen wie eine Mond­sichel im Jahr. Den Impuls zur Bil­dung der Oster­scholle kann ich bildlich wie einen Strö­mungsim­puls erleben, der von Michaeli, genauer vom herb­stlichen Umschwung des Som­mer-Hal­b­jahres zum Win­ter-Hal­b­jahr ausgeht.

Die Oster­scholle als Strömungsimpuls

Wird das Jahr in der Ei-Ori­en­tierung dargestellt mit dem Oster­fest als Anfang des See­lenkalen­der­jahres unten, so trifft für den Oster-Impuls zu, was Rudolf Stein­er über den Tao-Impuls sagt: „Wir kön­nen hier ein­fü­gen das­jenige, was der Laut t bedeutet — Tao, t. Sie wis­sen vielle­icht, daß man dem Tao, t, eine tiefe Ehrfurcht ent­ge­gen­bringt, wenn man ver­ste­ht, was darin­nen lebt. Dieses Tao, t, ist eigentlich das, unter dem man sich vorzustellen hat, daß es darstellt das Gewichtige, sog­ar das Schöpferische, das­jenige, was auch deu­tend strahlt, aber im beson­deren vom Him­mel auf die Erde strahlt. Es ist das wichtige Strahlen. Sagen wir also, dieses t: Bedeut­sam von oben nach unten strahlen.“ (Lit.: GA 279, S. 65)

Die Oster­scholle vere­int zen­trale Feste des Chris­ten­tums: Kreuzi­gung, Aufer­ste­hung, Him­melfahrt, Pfin­g­sten und Fron­le­ich­nam. Sie kann dem­nach, und wegen der “Ge-Wichtigkeit” in beson­derem Maße, als die Zeit des Chris­tus im Jahr betra­chtet wer­den. Der Ausspruch des Chris­tus, “Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; nie­mand kommt zum Vater denn durch mich.” (Joh. 14;6) klingt auf neue Weise kraftvoll, wenn fol­gende Aus­sage Rudolf Stein­ers ein­be­zo­gen wird: „Die Chi­ne­sen sind ein Rest der atlantis­chen Rasse der Mon­golen. Wenn wir bei den Chi­ne­sen das Wort TAO hören, so ist das für uns etwas schw­er Ver­ständlich­es. Die dama­li­gen Mon­golen hat­ten einen Monothe­is­mus aus­ge­bildet, der bis zur psy­chis­chen Greif­barkeit, bis zum Fühlen des Geisti­gen ging, und wenn der alte Chi­nese, der alte Mon­gole, das Wort TAO aussprach, so fühlte er das beim Aussprechen. TAO ist nicht «der Weg», wie das gewöhn­lich über­set­zt wird, es ist die Grund­kraft, durch die der Atlantier noch die Pflanzen ver­wan­deln kon­nte, durch die er seine merk­würdi­gen Luftschiffe in Bewe­gung set­zen kon­nte. Diese Grund­kraft, die man auch «Vril» nen­nt, hat der Atlantier über­all genutzt, und er nan­nte sie seinen Gott. Er fühlte diese Kraft in sich, sie war ihm «der Weg und das Ziel».“ (Lit.: GA 92, S. 18f)

Die Oster­scholle kann ich betra­cht­en als die durchchris­tete Tao-Kraft. Eine weit­ere Verbindung des Tao mit dem zen­tralen Ereig­nis der Kreuzi­gung find­et sich in fol­gen­der Aus­führung von Rudolf Stein­er: „Die Quelle all der Weisheit des Ostens wie des West­ens, dessen müssen wir uns klar sein, ist Atlantis.

Atlantis war ein Land, das von dicht­en Wassernebel­massen einge­hüllt war. Diese dicht­en Wassernebel­massen hat­ten eine ganz bes­timmte Beziehung zum Men­schen. Der Men­sch von damals emp­fand etwas dabei. Sie macht­en seine Seele empfänglich für die Sprache der Göt­ter. Im Rieseln der Quellen, im Rauschen der Blät­ter hörte der Atlantier den Gott zu sich reden. Und wenn er ein­sam wurde und still in sich gekehrt, so ver­nahm er einen Laut als Stimme des Gottes der zu ihm sprach. Da brauchte er keine Geset­ze und Gebote, der Gott selb­st sagte ihm, was er tun müsse. Und jen­er Laut, der über­all in Atlantis tönte und der aus den Herzen der Men­schen wider­hallte in stillen Stun­den der Einkehr, er ward später in Ägypten in Zeichen geset­zt als Tauze­ichen: T. Es ist dies auch die ursprüngliche Form des Kreuzes.

Wenn wir uns nun klar sind, wie damals die Wassernebel­massen die Verbindung mit dem Göt­tlichen her­stell­ten, so dass der Men­sch ganz unmit­tel­bar die Weisheit seines Gottes aufnehmen und ver­ste­hen kon­nte, so wollen wir ein­mal unseren Blick hin­wen­den auf das Wass­er, das in unseren Län­dern flutet. Wenn wir dann ein Tautröpfchen im Grase funkeln sehen im Licht­glanz der Mor­gen­sonne, dann wird uns andächtig ums Herz. Und dieses strahlende Tautröpfchen ist uns ein Denkmal, ein Denkmal jen­er Zeit­en in Atlantis, wo das Wass­er als Nebel das Land umhüllte, und der Men­sch die Weisheit der Göt­ter um sich verspürte.

Die Weisheit der Atlantis verkör­perte sich im Wass­er, im Tautropfen. Tau, unser deutsches Wort Tau, ist nichts anderes als jen­er alte atlantis­che Laut. So wollen wir mit Ehrfurcht und Andacht jedes Tautröpfchen betra­cht­en, das am Grashalm blinkt, als heiliges Ver­mächt­nis jen­er Zeit, wo das Band zwis­chen Men­schen und Göt­tern noch nicht zer­ris­sen war. Das Tauze­ichen, das alte Kreuzesze­ichen heißt im lateinis­chen crux. Und was heißt Tau, Tautropfen? ros. “Ros-crux” ist unser Rosenkreuz.

Nun erken­nen wir seine wahre Bedeu­tung. Es ist also das TAO der Atlantis, die Weisheit der Atlantis, welche uns heute ent­ge­gen­strahlt im Tautropfen. Nichts anderes will uns das Rosenkreuz sagen. Es ist ein Sym­bol für das neue Leben, das in der Zukun­ft in geistiger Art erblühen wird.“ (Lit.: GA 266a, S. 218f) Der Kreis von sieben Rosen ste­ht hier also für den Tautropfen.

Mit dem T‑Kreuz ist der Kreis ver­bun­den. Entwed­er befind­et er sich wie beim Rosenkreuz um den Kreuzungspunkt oder auf dem Quer­balken des T‑Kreuzes, das dadurch dem Anch-Zeichen der Ägypter ähnelt.

T‑Kreuz bzw. Tau-Kreuz oder Tau-Ham­mer (auch Anto­nius-Kreuz) und Tao-Zeichen

Die Beze­ich­nung „Taukreuz“ leit­et sich vom 19. Buch­staben des griechis­chen Alpha­bets, Tau (τ), bzw. dem let­zten Buch­staben des hebräis­chen Alpha­bets, Taw (ת), ab. Im Buch Ezechiel und auch im Buch Hiob ist die ursprüngliche Form des Buch­staben Taw als ein X‑Zeichen über­liefert, eben­so im phönizis­chen Alpha­bet — also als ein diag­o­nales Kreuz. Ursprünglich war es ein Markierungsze­ichen — also ein “Ein­schlag von oben”, wie Rudolf Stein­er das T auch charak­ter­isiert. Und dieses Markierungsze­ichen wurde entwed­er senkrecht + oder diag­o­nal X ver­wen­det. Als Zeichen des Heili­gen Anto­nius († 186), des Ein­siedlers und Asketen, ste­ht das T‑Kreuz für die Selbstüberwindung.

Über das Tao-Zeichen unter den Sym­bol­en am Wei­h­nachts­baum erk­lärt Rudolf Stein­er: „Darüber ste­ht das Taoze­ichen, jenes Zeichen, das uns an die Gottes­beze­ich­nung unser­er ural­ten Vor­fahren erin­nert. Bevor Europa, Asien, Afri­ka Kul­tur­land war, lebten diese alten Vor­fahren in der Atlantis, die in Fluten unterge­gan­gen ist. In den ger­man­is­chen Sagen lebt noch die Erin­nerung an diese Atlantis in den Sagen von Nifl­heim, dem Nebel­heim. Denn Atlantis war nicht von rein­er Luft umgeben. Große, mächtige Nebel­massen umwogten das Land, ähn­lich wie man sie heute sieht, wenn man im Hochge­birge durch Wolken und Nebel­massen zieht. Sonne und Mond standen nicht klar am Him­mel, sie waren für die Atlantis umgeben von Regen­bo­gen­rin­gen — von der heili­gen Iris. Damals ver­stand der Men­sch noch viel mehr die Sprache der Natur. Was heute im Plätsch­ern der Wellen, im Rauschen des Windes, im Säuseln der Blät­ter, im Grollen des Don­ners zum Men­schen spricht, aber nicht mehr von ihm ver­standen wird, das war dem alten Atlantier damals ver­ständlich. Er emp­fand aus allem her­aus ein Göt­tlich­es, das zu ihm redete. Inner­halb all dieser sprechen­den Wolken und Wass­er und Blät­ter und Winde ertönte den Atlantiern ein Laut: Tao — das bin ich. — In diesem Laut lebte das eigentliche Wesen, das durch die ganze Natur geht. Atlantis ver­nahm ihn. Dieses Tao drück­te sich später aus in dem Buch­staben T. Auf ihm ste­ht ein Kreis, das Zeichen der alles umfassenden göt­tlichen Vater­natur.“ (Lit.: GA 96, S. 196ff)

Weit­ere wichtige Aspek­te zum Tao wer­den in diesem län­geren Zitat von Rudolf Stein­er deut­lich. Hier geht er auf die soge­nan­nte Tem­pel­le­gende ein, die eine freimau­rerische Vari­ante ist der Erzäh­lung über den Bau des Salomonis­chen Tem­pels in Jerusalem ( 1 Kön 6,1 LUT). Vorher hat­te Rudolf Stein­er über Kain und Abel gesprochen als Vertreter zweier grund­sät­zlich zu unter­schei­den­den Men­schheitsströ­mungen, die es seit alters her und bis heute gibt. In Hiram, dem Baumeis­ter des salomonis­chen Tem­pels begeg­nen wir einem Vertreter der Kainsströ­mung, in Salo­mo einem Vertreter der Abel­strö­mung, die durch Seth, dem nachge­bore­nen drit­ten Sohn von Adam und Eva, fort­ge­führt wurde. „In der atlantis­chen Zeit wurde ein Ver­such gemacht, diese zwei Klassen zu vere­ini­gen, doch führte das zur schwarzen Magie der schlimm­sten Art. Darauf wird hingedeutet in der Bibel­stelle: «Die Söhne Gottes ver­mählten sich mit den Töchtern der Menschen.»

Die Ankun­ft der Köni­gin von Saba bedeutet den Ver­such der Gegen­wart. Die Wis­senschaft, die durch Hiram dargestellt ist, kann sich jet­zt mit der See­len­weisheit vere­ini­gen, die sym­bol­isiert wird durch die Köni­gin von Saba. Die Amme ist der in die Zukun­ft schauende Prophet, der Vogel Had-Had ist ein Geist der Intel­li­genz, die zur Seele her­ab­steigt und sie von der Offen­barung, wie sie durch Salo­mo dargestellt wird, hin­wen­det zur selb­ster­wor­be­nen Erken­nt­nis, die ihren Aus­druck find­et in Hiram.

Der Tem­pel stellt die Erde­nen­twick­elung dar. Salo­mo ist gle­ich einem Spiegel, der die kos­mis­che Weisheit wider­spiegelt, ohne irgendwelche eigene Anstren­gung. Hiram ander­er­seits sieht das Bild und arbeit­et es aus. Er besitzt nicht die Fähigkeit, direkt aus der göt­tlichen Quelle zu schöpfen; er ist die materielle Erken­nt­nis, die das gegen­ständlich machen kann, was Salo­mo nur sehen kann.

Darum wird Balkis, die Seele, unzufrieden und löst ihre Verbindung mit Salo­mo, als sie die Schön­heit Hirams erken­nt, und sie gewin­nt den Ring von Salo­mos Hand zurück, als er trunk­en ist.

Daß Hiram den Tau-Ham­mer schwingt, um auf Balkis’ Wun­sch die Arbeit­er her­beizu­rufen, stellt sym­bol­isch dar, auf welche Weise alle großen, welt­be­we­gen­den Ereignisse zus­tande gebracht wur­den, wenn sie wie die Ameisen jahre­lang arbeit­eten, um einen bes­timmten Zweck zu erre­ichen: durch die Macht der Massen­sug­ges­tion. Diese wurde angewen­det, so daß sie zur Arbeit sich ein­fan­den wie auf eige­nen Antrieb. Es würde Unrecht sein, jet­zt eine solche Kraft anzuwen­den, aber zu jen­er Zeit waren die Men­schen nicht so indi­vid­u­al­isiert [wie heute], und wenn Tem­pel gebaut wer­den soll­ten, die dem Fortschritt der Men­schheit dienen soll­ten, braucht­en die Priester damals ganz mit Recht solche Mit­tel, um ihren Zweck zu erre­ichen. Die Kreuz­züge und Jeanne d’ Arcs Heer sind andere Beispiele von solch­er Massen­sug­ges­tion. Manch­mal sind Fanatik­er, die zum Teil ohne inneres Gle­ichgewicht sind, sehr stark in dieser Richtung.

Als Hiram sich in das Feuer wirft, trifft er unter­wegs Tubal-Kain. Der führt Hiram zum Mit­telpunkt der Erde (wo die Ich-Pflanze wächst; Kain war ein Acker­bauer), und dort find­en sie Kain in seinem unschuldigen Zus­tand. Kain gibt dem Hiram einen neuen Ham­mer und ein neues Wort.“ (Lit.: GA 265, S. 395f)

Vor diesem Hin­ter­grund erscheint das Fest Imbolc-Lichtmess als die Ankun­ft der Köni­gin von Saba, die Ankun­ft des neuen Oster-Impuls­es. Und auch das Sym­bol des Ham­mers lässt sich in der Oster­scholle erkennen.

Das T‑Zeichen in alten Landkarten und auf dem Reichsapfel

Rudolf Stein­er gestal­tete die Eury­th­mieform für das Mantra 9 I in ein­er T‑Form (siehe Blog 9 I). Deshalb will ich diesem Sym­bol weit­er nachgehen.

Im Mit­te­lal­ter wurde um die schöpferische, gestal­tende Macht des T, ver­bun­den mit dem Kreis, offen­sichtlich gewusst. Diese Kraft wurde für so mächtig gehal­ten, dass erwartet wurde, sie habe sich in die Erde eingeprägt und die Form der Kon­ti­nente gestal­tet. Man erwartete, dass die Erde ein großes T sicht­bar macht. Auf den soge­nan­nte T‑O Karten wurde die Erde so dargestellt, das Wass­er die Kon­ti­nente in Form eines große T umgeben von einem O umfließt.

Bunte Rad­karte „nach Isidor von Sevil­la“, aus Jean Mansel, La Fleur des His­toires, Hand­schrift, Valen­ci­ennes, 1459–1463

Rad­karte aus Isidor von Sevil­las Ety­molo­giae, Erst­druck Gün­ther Zain­er, 1472

In Mit­te­lameri­ka zeigt das Zeichen für Wind, eines von 20 heili­gen Kräften im Mayakalen­der, eben diese T‑Gestalt.

Ver­wandt und doch ganz anders zeigt sich das T auf dem Reich­sapfel. Das vom Römis­chen Reich über­nommene Sym­bol der Weltkugel zeigt das T in ent­ge­genge­set­zter Aus­rich­tung. Der Reich­sapfel zeigt in meinem Ver­ständ­nis nicht die durch die Tao-Kraft gestal­tete Erde, son­dern den Gestal­tungswillen, die angestrebte for­mende Macht des Königs über die Erde. Deshalb ist es fol­gerichtig, dass hier das T den Quer­balken unter dem senkrecht­en Balken hat. Dieses T sagt: die göt­tlich legit­imierte Macht des Königs kommt von oben und ver­bre­it­et sich über die Erde.

Reich­sapfel auf einem Gold-Gulden Albrechts des Beherzten 1488 und auf einem Batzen von Bran­den­burg-Bayreuth 1704

Aus der Steinzeit ist uns ein Beispiel dieser abwärts zur Erde wirk­enden Kraft im Tem­pelmod­ell der Vogel­göt­tin über­liefert. Die Fen­ster bzw. Eingänge zeigen die umgekehrte T‑Form.

Tem­pelmod­ell mit der Maske der Vogel­göt­tin am Schorn­stein und umgekehrten T‑Fenstern oder Eingän­gen, West­make­donien, ca. 6000 v. Chr.

Die Vogel­göt­tin war die viel­mals abge­bildete, alles beherrschende Got­theit der dama­li­gen Zeit. Darstel­lun­gen männlich­er Got­theit­en sind aus dieser Zeit dage­gen sel­ten. Die Vogel­göt­tin kann deshalb als die alles erschaf­fende, nährende Urmut­ter ange­sprochen werden.

Über die Spiegelsprüche 9 I und 44 s

Die Mantren 9 I und 44 s sind bei­de aus der Per­spek­tive eines sich sel­ber reflek­tieren­den Ich-Sprech­ers geschrieben. Die ersten bei­den Zeilen zeigen die für Spiegel­sprüche typ­is­chen Entsprechun­gen, die weit­eren Zeilen nicht.

Das Mantra 44 s zeigt im Satza­uf­bau eine Beson­der­heit, die nur hier auf­taucht. Es ist gekennze­ich­net durch abrupte, kaum nachvol­lziehbare Sprünge. Erst wenn die Zeilen umgestellt wer­den, entste­ht ein gram­ma­tisch stim­miger Satz (sieh oben, genaueres dazu 44 s). Die Spiegelung in der zweit­en Zeile geht dadurch jedoch verloren.

Bei­de Mantren sprechen vom Willen. Das Mantra 9 I han­delt davon, was geschieht, wenn die Willenseigen­heit vergessen wird. Das Mantra 44 S spricht vom Ergreifen neuer Sin­nes­reize durch den Schöpferwillen des Denkens. Vergessen und Ergreifen sind Hand­lun­gen, die als Ver­ben dem Wil­lens­bere­ich der Sprache zuzurech­nen sind. Sie ste­hen jew­eils in der Ver­laufs­form und machen dadurch deut­lich, dass es in bei­den Mantren um einen flüchti­gen Moment eines Prozess­es geht; um Gegen­wär­tigkeit im Geschehen. Im Mantra 44 s wieder­holt sich diese Ver­laufs­form ins­ge­samt dreimal: ergreifend, ver­wirrend, sprossend. Nicht nur der Prozess des Ergreifens ste­ht in der fließen­den Gegen­wart, son­dern auch das, was ergrif­f­en wird, befind­et sich in einem eben­so sich stetig wan­del­nden Prozess. Im Mantra 9 I tritt die Ver­laufs­form zweimal auf: Vergessend, sommerkündend.

Die Wil­len­seigen­heit (9 I) wird vergessen. Das weist darauf hin, dass diese Eigen­heit im Willen mit dem Bewusst­sein zu tun hat, denn son­st kön­nte sie nicht vergessen, aus dem Bewusst­sein ver­loren wer­den. Es ist die Erken­nt­nis, ein abge­gren­ztes Eigen­we­sen zu sein und die eigene Innen­welt von der Außen­welt zu unter­schei­den. Die Wil­len­seigen­heit ist eine Eigen­schaft eines mit eigen­em Willen aus­ges­tat­teten Wesens, das sich allen anderen Wesen und Din­gen gegenüber­ste­hend fühlt. Let­z­tendlich ist die Wil­len­seigen­heit auf den Gedanken zurück­zuführen, eben dieses Son­der­we­sen zu sein. Damit vere­inen sich Denken und Wille in dieser Idee. Auch das Mantra 44 s the­ma­tisiert mit dem Schöpfer­willen des Denkens das Zusam­men­wirken dieser bei­den See­len­fähigkeit­en, Wille und Denken. Im Mantra 9 I geht es um den Willen, der einen Ideen-Aspekt hat, im Mantra 44 s hat das Denken Willen, Schöpferwillen.

Neue Sin­nes­reize zu ergreifen (44 s) erscheint selb­stver­ständlich. Die Sinne sind eigentlich ständig auf der Jagd nach neuen Reizen. Doch wer­den die Sin­nes­reize ergrif­f­en, oder nur pas­siv aufgenom­men, kon­sum­iert? Hier geht es um ein wahrnehmendes Zugreifen, in Besitz nehmen. Es ist der Schöpfer­willen des Denkens, der die Sin­nes­reize ergreift, sie ord­net, Begriffe, Ideen, Konzepte formt und dadurch schöpferisch tätig ist. Auf diesem Ergreifen und Ver­ar­beit­en beruht alle men­schliche Erkenntnis.

Vergessend (9 I) und ergreifend (44 s) ver­ste­he ich als prozes­suales Loslassen und Zugreifen, als lösen und binden. In diesem Spiegel­spruch-Paar geht es im weitesten Sinne um einen Atmung­sprozess. Das Loslassen find­et mehr im Bewusst­sein, im Kopf statt, weshalb es ein Vergessen ist. Das Ergreifen geschieht im Willen.

Auf den ersten Prozess des Vergessens oder Ergreifens fol­gt in bei­den Mantren ein Erfüllen. Im Mantra 9 I fol­gt auf das Vergessen der Wil­len­seigen­heit das Erfüllt-wer­den mit Wel­tenwärme. Mit der vorher beste­hen­den Wil­len­seigen­heit ist die Blutwärme ver­bun­den, die Eigen­wärme. Sie ist laut Rudolf Stein­er die Grund­lage des Ichs. Wird die Wil­len­seigen­heit vergessen, tritt eine “gemein­schaftliche” Wärme an die Stelle der Eigen­wärme — die Wel­tenwärme. Ob damit auch ein Wir- statt eines Ich-Erlebens ver­bun­den ist, the­ma­tisiert das Mantra nicht.

Im Mantra 44 s fol­gt auf das Ergreifen von neuen Sin­nes­reizen das Erfüllt-wer­den mit See­len­klarheit. Wel­tenwärme und See­len­klarheit ste­hen sich also in den bei­den Mantren gegenüber. Klarheit kann ich als eine küh­le, dem Kopf zugeneigte seel­is­che Eigen­schaft empfind­en. See­len­klarheit ist die Abwe­sen­heit von allem Stören­dem. Bild ist der klare Wasser­spiegel, den kein Wind­hauch bewegt. Das Ergreifen geschieht so ruhig und ziel­sich­er, dass es kein­er­lei Zweifel, kein­er­lei emo­tionale Wellen gibt. Wel­tenwärme ist ger­ade keine Eigen­wärme. Ich denke dabei an den Wärmeäther. Der Wärmeäther bildet den Über­gang von der irdis­chen Welt der Ele­mente zur unsicht­baren Äther­welt, da er sowohl die physis­che Wärme als auch die ätherische umfasst. Wel­tenwärme ist ein über­per­sön­lich­es Ele­ment, das erfül­lend wirkt, während See­len­klarheit indi­vidu­ell und kühl ist.

Im Mantra 9 I wird aus dem Bewusst­sein­sprozess des Vergessens ein über­per­sön­lich­er Wärme- und dadurch sozusagen ein Wel­ten-Stof­fwech­sel­prozess. Im Mantra 44 s wird aus dem Wil­len­sprozess des Ergreifens per­sön­liche See­len­klarheit, ein dem Bewusst­sein zugeneigter Prozess.

Die Wel­tenwärme (9 I) kün­det vom Som­mer. Es ist nicht ihre Tätigkeit, son­dern ihre Eigen­schaft, som­merkün­dend zu sein. Die Wel­tenwärme sel­ber ist das Ver­sprechen ein­er kom­menden neuen Jahreszeit, ein­er großen Verän­derung der Umwelt, der seel­isch-geisti­gen Sit­u­a­tion. Die Zukun­ft­sori­en­tierung ist auch im Wort “som­merkün­dend” erkennbar. Auf die See­len­klarheit (44 s) fol­gt “einge­denk” also ein erin­nern­des Bewusst­machen der vol­l­zo­ge­nen Geist­ge­burt — mithin eine Ori­en­tierung in die Ver­gan­gen­heit. Die Wel­tenwärme erfüllt Geist und See­len­we­sen — nicht den Kör­p­er, was als Blutwärme eigentlich nahe­liegend wäre. Ich gehe davon aus, dass es im Mantra 9 I um den Tod des physis­chen Leibes geht, weshalb die Wel­tenwärme nur Geist und See­len­we­sen erfüllt, wom­it auch eine voll­ständi­ge Verän­derung des Seins ein­herge­ht. In diesem Mantra geht es um Geschehen lassen, um Hingabe an den Prozess.

Im Mantra 44 s erfüllt die See­len­klarheit das ver­wirrend sprossende Wel­tenwer­den. Sie erfüllt also etwas außer­halb der Seele Liegen­des. Der ord­nende Ein­fluss des schöpferischen Denkens wirkt sich auf das Wel­tenwer­den aus. Ohne diese Denkkraft wäre das unun­ter­brochen sprossende Wel­tenwer­den vielle­icht nicht nur für den Men­schen ver­wirrend, son­dern auch sel­ber ver­wirrt. Das Denken übt hier Macht aus, es regiert sein “Land”, seinen Wahrnehmungsraum aktiv.

Während das Mantra 44 s zu Ende ist, fol­gt im Mantra 9 I die Auf­forderung an den Ich-Sprech­er, sich im Licht zu ver­lieren. Ver­lieren (9 I) — Ergreifen (44 s): hier wird der Gegen­satz zum Mantra 44 s noch deut­lich­er. Was vergessen, los­ge­lassen wird, geht ver­loren — was ergrif­f­en wird, bleibt. Mich im Licht zu ver­lieren, mich darin aufzulösen, mit dem Licht Eins zu wer­den, ist im Mantra ein Gebot, ein Befehl vom Geistess­chauen aus­ge­sprochen. Und nochmals wieder­holt sich das Kün­den. Die Ahnung kün­det dem Ich-Sprech­er kraftvoll, sich zu ver­lieren, um sich zu find­en. Ein voll­ständi­ger Umwand­lung­sprozess ste­ht an. Das bish­erige muss vergessen, ver­loren wer­den für ein ganz Neues sich Finden.

Den Gegen­satz der bei­den Mantren lässt sich vielle­icht am besten ins Bild brin­gen durch die bei­den T‑Gesten. Im Mantra 44 s begeg­nen wir der königlichen, aktiv­en Macht, die regiert, die gestal­tet — und dies legit­imer Weise tut, wenn sie ihrer Geist­ge­burt einge­denk ist. Im Mantra 9 I find­en wir den anderen Pol: das sich Hingeben ein­er höheren Macht, das Regiert-Wer­den. Ich ahne darin auch die Macht, die laut Rudolf Stein­er Hiram über die Volks­massen durch seinen Ham­mer ausüben kon­nte. Auch Hiram muss sich hingeben, um den Guss des ehernen Meeres vol­len­den zu kön­nen. Er muss sich ins Feuer stürzen — sich im Licht ver­lieren — und zum Mit­telpunkt der Erde gelan­gen, um von seinem Urahn Kain einen neuen Ham­mer zu erhal­ten — eine men­schheitlich neue Möglichkeit, den Willen ohne ego­is­tis­che Anteile zu gebrauchen. Das Mantra 44 s mit sein­er schwin­gen­den Anord­nung der Zeilen lässt an das eherne Meer denken. Ein gram­ma­tisch sin­nvoller Satz kommt erst zus­tande, wenn die Zeilen umgestellt wer­den — das Meer zur Ruhe kommt und ehern wird. Die gram­ma­tisch geforderte Umstel­lung fol­gt ein­er Regelmäßigkeit. Sie geht von der ersten Zeile zur let­zten — von der zweit­en zur vor­let­zten, um in der Mit­tleren — “Einge­denk vol­l­zo­gen­er Geist­ge­burt” — zur Ruhe zu kommen.

Betra­chte ich die Oster­scholle als ein großes Jet­zt, zeigen mir die Mantren, dass in der aufkeimenden Gegen­wär­tigkeit die Sin­nes­reize ergrif­f­en wer­den. Verdäm­mert sie wieder in der selb­stvergesse­nen Hingabe an die Wahrnehmung, so wird die Wil­len­seigen­heit vergessen und im Licht der Wahrnehmung ver­liert sich das Bewusst­sein der Eigenheit.