Die spiegelnden Krisenspruch-Mantren 20 T und 33 g

20 T

So fühl´ ich erst mein Sein,

Das fern vom Welten-Dasein

In sich, sich selb­st erlöschen

Und bauend nur auf eignem Grunde

In sich, sich selb­st ertöten müsste.

33 g

So fühl ich erst die Welt,

Die außer mein­er Seele Miterleben

An sich nur frostig leeres Leben

Und ohne Macht sich offen­barend,

In See­len sich von neuem schaffend,

In sich den Tod nur find­en kön­nte.

Musik zum Mantra 20 T — Gloria — komponiert von Herbert Lippmann

Makrokosmos und Mikrokosmos

Mit Makrokos­mos beze­ich­net Rudolf Stein­er die große kos­mis­che Welt, deren Abbild der Men­sch als Mikrokos­mos ist. Der Makrokos­mos umfasst als Geist­welt den Tierkreis, die Plan­eten­sphären, die Ele­men­tarische Welt – also die geistige Seite der Welt außer­halb der men­schlichen See­len­welt. Mit Mikrokos­mos beze­ich­net Rudolf Stein­er nicht nur die bewusste und unbe­wusste See­len­welt des Men­schen, son­dern auch die geistige, die intel­li­gi­ble Seite seines physisch-ätherischen Seins, die Geset­zmäßigkeit­en, die sich im Auf­bau seines Kör­pers und sein­er Lebensvorgänge zeigen und auf den Makrokos­mos verweisen.

Makrokos­mos

„Der Men­sch tritt jeden Abend beim Ein­schlafen aus sein­er kleinen Welt, aus seinem Mikrokos­mos in die große Welt, in den Makrokos­mos hin­aus und vere­inigt sich, indem er seinen astralis­chen Leib und sein Ich aus­gießt in den Makrokos­mos, mit diesem Makrokos­mos, mit der großen Welt. Aber weil er im heuti­gen Ver­laufe seines Lebens nur fähig ist, in der Welt des Tageslebens zu wirken, so hört sein Bewußt­sein auf in dem Momente, wo er den Makrokos­mos betritt. Das drück­te die Geheimwis­senschaft immer dadurch aus, daß sie sagte: Zwis­chen dem Leben im Mikrokos­mos und dem Leben im Makrokos­mos liegt der Strom der Vergessen­heit. Der Men­sch dringt auf dem Strom der Vergessen­heit in den Makrokos­mos, in die große Welt, indem er mit dem Ein­schlafen aus dem Mikrokos­mos in den Makrokos­mos hinüber­lebt.“ (Lit.: GA 119, S. 53)

„Wir haben ver­schiedene Betra­ch­tun­gen angestellt, die uns darauf aufmerk­sam machen kon­nten, wie wir durch die geis­teswis­senschaftliche Weltan­schau­ung in ein­er andern Weise alte Erken­nt­niss­chätze für die men­schliche Erken­nt­nis wiedergewin­nen, die in ver­gan­genen Tagen gewußt wor­den sind von den Men­schen als das­jenige, was den geisti­gen Wel­ten ange­hört. Immer wieder und wieder wer­den wir durch das eine oder andere auf dieses vor­weltliche Wis­sen von den geisti­gen Wel­ten stoßen, und immer wieder wer­den wir daran erin­nert, daß dieses Wis­sen der Vorzeit darauf beruhte, daß der Men­sch ver­möge sein­er früheren Organ­i­sa­tion in einem solchen Zusam­men­hang ste­hen kon­nte mit dem ganzen Wel­te­nall und seinem Geschehen, daß, wie wir uns in unser­er Sprache aus­drück­en, der men­schliche Mikrokos­mos ein­tauchte in die Geset­zmäßigkeit, in das Geschehen des Makrokos­mos und daß er bei diesem Ein­tauchen in den Makrokos­mos Erleb­nisse haben kon­nte über Dinge, die sein See­len­leben innig ange­hen, die ihm aber ver­bor­gen bleiben müssen, solange er auf dem physis­chen Plane als Mikrokos­mos wan­delt und nur mit der­jeni­gen Erken­nt­nis aus­ges­tat­tet ist, die den Sin­nen und dem an die Sinne gebun­de­nen Ver­stande gegeben ist.“ (Lit.: GA 158, S. 171)

Die Prob­lematik, die mit der Welt, dem Makrokos­mos ver­bun­den ist, beschreibt Rudolf Stein­er fol­gen­der­maßen: “Der Makrokos­mos wird von dem schauen­den Bewußt­sein in immer größer­er Lebendigkeit gefun­den, je weit­er der Blick in die Ver­gan­gen­heit zurück­dringt. Er lebt in fern­er Ver­gan­gen­heit so, daß jede Berech­nung sein­er Leben­sof­fen­barun­gen da aufhört. Aus dieser Lebendigkeit her­aus wird der Men­sch abgeson­dert. Der Makrokos­mos tritt immer mehr in die Sphäre des Berechen­baren ein. Damit aber erstirbt er allmäh­lich. In dem Maße, in dem der Men­sch — der Mikrokos­mos — als selb­ständi­ge Wesen­heit aus dem Makrokos­mos erste­ht, erstirbt dieser. In der kos­mis­chen Gegen­wart beste­ht ein erstor­ben­er Makrokos­mos. Aber im Wer­den des­sel­ben ist nicht nur der Men­sch ent­standen. Es ist aus dem Makrokos­mos auch die Erde erstanden.” (Lit.: GA 026, S. 197)

Mikrokos­mos

Mit dem Aufwachen kehrt der Men­sch aus dem Makrokos­mos in den Mikrokos­mos zurück. Im Tagesleben hat der Men­sch zwar Bewusst­sein, doch wird er abge­lenkt von seinem See­lenin­neren durch die Sin­ne­sein­drücke, die sich im Aufwachen sofort vor diese Innen­welt schieben. Hier bildet der Sin­nen­schleier auf der Seite der Wahrnehmung das Pen­dant zum Strom des Vergessens. Das Über­winden dieses Schleiers wird als ein Ver­bren­nen erlebt.

„Denn, sehen Sie, der Men­sch ist tat­säch­lich wie ein Extrakt des ganzen Kos­mos. Im Men­schen find­et man — irgend­wie verän­dert, irgend­wie extrahiert, kom­pen­siert oder der­gle­ichen — das, was im Kos­mos als Gesetz vorhan­den ist […]

Man ent­deckt, indem man das Wollen, das Denken erlebt, wie ich es Ihnen geschildert habe, daß der Men­sch wirk­lich eine Art Mikrokos­mos ist. Ich sage das nicht als Phrase, wie es die neb­u­losen Mys­tik­er sagen, son­dern in dem Bewußt­sein, daß es mir so klar gewor­den ist wie nur irgen­deine Lösung ein­er Dif­fer­en­tial­gle­ichung, aus voll­ständig logis­ch­er Klarheit her­aus. Man ent­deckt, daß der Men­sch inner­lich eine Zusam­men­fas­sung, ein Kom­pendi­um der ganzen Welt ist. Und ger­adeso wie in unserem gewöhn­lichen Leben wir ja auch nicht bloß das­jenige wis­sen, was uns eben in dem Augen­blick sinnlich umgibt, wie wir, indem wir abse­hen von dem, was uns in diesem Augen­blick sinnlich umgibt, hin­blick­en auf das Bild von etwas, was wir erlebt haben vor etwa zehn oder fün­fzehn Jahren, wie das vor uns auf­taucht als etwas, was nicht mehr vorhan­den ist — es ist aber etwas von ihm in uns vorhan­den, was uns ermöglicht, das, was dazu­mal vorhan­den war, nachzukon­stru­ieren -, so ist es auch mit dem erweit­erten Bewußt­sein, das durch Umwand­lung des gewöhn­lichen Denkens und Wol­lens entste­ht. Indem der Men­sch tat­säch­lich ver­bun­den war mit alle dem, was Ver­gan­gen­heit ist, nur in einem umfassenderen, in einem ganz anderen, in einem geistigeren Sinne ver­bun­den war mit dem, was Ver­gan­gen­heit ist, als er ver­bun­den war mit Erleb­nis­sen vor zehn, fün­fzehn Jahren, die er wieder her­auf­holen kann aus seinem Inneren, so ist es möglich, wenn das Bewußt­sein erweit­ert wird, daß wir ein­fach her­aus­find­en, wie aus ein­er kos­mis­chen Erin­nerung, das­jenige, wo wir ja dabei waren, was ein­fach nicht in uns für das gewöhn­liche Bewußt­sein weit­er­lebt, was aber weit­er­lebt für das­jenige Bewußt­sein, das durch die Meta­mor­phose ent­standen ist, die ich geschildert habe.

Es ist also nichts anderes als eine Erweiterung, als eine Erhöhung der­jeni­gen Kraft, die son­st unsere Erin­nerungskraft ist, wodurch der Men­sch inner­lich, ein­fach aus der eige­nen Natur, die eine Zusam­men­fas­sung des Makrokos­mos ist, kon­struk­tiv aufer­ste­hen läßt das­jenige, was tat­säch­lich in einem bes­timmten Zeitraum unser­er Erde war. Der Men­sch sieht dann hin auf einen Zus­tand der Erde, wo sie noch nicht materiell war. Und während er son­st aus den gegen­wär­ti­gen Erleb­nis­sen der Geolo­gie sich irgend etwas kon­stru­ieren muß, was in der Zeit gele­gen haben soll, sieht er nun hin auf einen Zeit­punkt, wo die Erde noch nicht da war, wo sie in ein­er viel geistigeren Gestalt war. Er sieht, indem er das, was in ihm lebt, kon­struk­tiv nach­schafft, das­jenige, was tat­säch­lich der Bil­dung unser­er Erde zugrundeliegt.

Und eben­so ist es mit dem, was in ein­er gewis­sen Weise als etwas Kon­struk­tives in uns von einem Zukun­ft­szu­s­tand der Erde auf­tauchen kann.“ (Lit.: GA 73a, S. 374ff Her­vorhe­bung A.F.)

Der Schu­lungsweg, wie ihn Rudolf Stein­er beschreibt, begin­nt als Weg in den Mikrokos­mos, indem der Astralleib gere­inigt und dann der Äther­leib umgear­beit­et wird. Der Weg, um die Men­schheit­sen­twick­lung vor­wegzunehmen, begin­nt also beim Ich und steigt ab bis zum physis­chen Leib, bis in die tief­ste Ver­gan­gen­heit des Menschen.

„Wir wis­sen, daß vom Ich aus nicht nur der Astralleib, son­dern auch der Äther­leib und der physis­che Leib umge­wan­delt wer­den. … bewußt wer­den umge­wan­delt Astralleib, Äther­leib und physis­ch­er Leib … wenn der Men­sch in ein­er eso­ter­ischen Schu­lung steht.

Alles das, was nur auf den Astralleib wirkt, ist nur Vor­bere­itung zur eigentlichen eso­ter­ischen Schu­lung, zur eigentlichen okkul­ten Schu­lung. Die okkulte Schu­lung begin­nt da, wo wir das Hineinar­beit­en in den Äther- oder Lebensleib ler­nen, wo der Men­sch in den Stand geset­zt wird, durch die Anleitung, die ihm der okkulte Lehrer gibt, die Tem­pera­mente, Nei­gun­gen und Gewohn­heit­en umzuwan­deln, wo der Men­sch ein ander­er wird. Damit kommt erst die Ein­sicht in die wirk­liche höhere Welt, daß der Men­sch ein ander­er Men­sch wird. … Man kann alles mögliche ler­nen, das wirkt nur auf den Astralleib. Erst dann, wenn die Lehren eine solche Stoßkraft haben, daß sie ver­wan­del­nd auf den Men­schen wirken, bilden sich von innen her­aus die Organe, um in die höhere Welt hineinzuschauen. So geschieht die Umwand­lung des Äther­leibes und so geschieht auch die Umwand­lung des physis­chen Leibes. Und weil der physis­che Leib sich umwan­delt vom Atmung­sprozeß aus, durch die Rhyth­misierung des Atmung­sprozess­es, so nen­nt man den vom Bewußt­sein durch­leuchteten physis­chen Leib Atman, das Atman.“ (Lit.: GA 096, S. 258f)

Dieser Weg entspricht also dem mit Michaeli begin­nen­den Weg durch das Jahr der vier Erzen­gel Regentschaften. Jed­er dieser Erzen­gel regierte eine Erdinkar­na­tion und leit­ete die Aus­bil­dung eines Wesens­gliedes. Von Michael, der die Entwick­lung der Erde und des men­schlichen Ichs leit­et, schre­it­en wir im Gang des Jahres nach vorne, doch vom Aspekt der durch Rudolf Stein­er angegebe­nen Erzen­geln schre­it­en wir in die Ver­gan­gen­heit. Mit der Wei­h­nacht­szeit kom­men wir in den Ein­fluss­bere­ich von Gabriel, der den alten Mond und die Aus­bil­dung des Astralleibs leit­ete. In der fol­gen­den Osterzeit kom­men wir zu Raphael, der die alte Sonne und die Aus­bil­dung des Äther­leibs leit­ete. Und schließlich zur Hochsom­merzeit kom­men wir zu Uriel, der den alten Sat­urn, die erste Inkar­na­tion unser­er Erde leit­ete, wo der physis­che Leib ver­an­lagt wurde. (Siehe GA 265) Diesen Weg empfinde ich als eine Involution.

Invo­lu­tion und Evo­lu­tion bedin­gen einan­der, sagt Rudolf Stein­er: „Das ist der große Gedanke, der den Geheimge­sellschaften zugrunde liegt, daß alles Fortschre­it­en auf Invo­lu­tion und Evo­lu­tion beruht. Invo­lu­tion ist das Ein­saugen, Evo­lu­tion ist das Aus­geben. Zwis­chen diesen bei­den wech­seln alle Wel­tenzustände.“ (Lit.: GA 93, S. 122)

„Die Invo­lu­tion ist das­jenige, was in uns einge­zo­gen ist ohne unser Bewußt­sein und ohne unseren Willen, unter dem Ein­fluß der göt­tlichen Weisheit. Die Evo­lu­tion ist alles, was wir daraus her­vorge­hen lassen sollen für die äußere Welt durch unser Bewußt­sein und unseren Willen.“ (Lit.: GA 94, S. 35)

Den Weg in den Makrokos­mos, wie Rudolf Stein­er ihn für die nördlichen Völk­er als Weg durch den Jahreskreis beschreibt, empfinde ich als Evo­lu­tion­sweg, denn er steigt vom Früh­ling mit dem Gewin­nen des Ver­ständ­niss­es des physis­chen Leibes auf zum Hochsom­mer mit dem Ver­ständ­nis des Äther­leibes, gelangt dann im Herb­st zum Ver­ständ­nis des Astralleibs und im Tiefwin­ter durch das Schauen der Mit­ter­nachtssonne zum Ver­ständ­nis des Ichs (siehe GA 119).

(Ange­merkt sei, dass Rudolf Stein­er in GA 219 eben diesen Weg durch die Jahreszeit­en als südlichen Weg in die Seele beschreibt.)

Im Gang des Jahres liegen zwei Wege der Selb­st- und Welterkenntnis

Der rot geze­ich­nete Weg: basiert auf GA 119, der blaue Weg auf GA 265 von mir so zusam­menge­fügt und benannt

Über die Spiegelsprüche 20 T und 33 g

Die Mantren 20 T und 33 g beschreiben krisen­hafte Sit­u­a­tio­nen, die nur über­wun­den wer­den kön­nen, wenn der Ich-Sprech­er sich sel­ber neu aus­richtet. Ret­tende Kräfte, wie sie in den Krisen­sprüchen der Osterzeit (7 G und 46 u) aufgerufen wer­den, gibt es hier nicht.

In bei­den Mantren geht die Erken­nt­nis vom Fühlen aus. Der Ich-Sprech­er fühlt die eine oder andere Kon­stante des men­schlichen Daseins: das eigene Sein (20 T) bzw. die Welt (33 g). Er erlebt das eigene Sein bzw. die Welt das erste Mal wirk­lich. So hat er noch nie auf sich selb­st bzw. auf die Welt geblickt. Und mit diesem Fühlen der nun — nach einem lan­gen Weg der Bewusst­wer­dung — in den Fokus genomme­nen Tat­sache erlangt er vol­lkom­men neue Ein­sicht. Der Ich-Sprech­er nimmt sozusagen erst­ma­lig die andere Seite der Medaille wahr und erken­nt, dass er hier nicht am Ziel, son­dern in ein­er Sack­gasse gelandet ist, wenn er seine Aus­rich­tung nicht verändert.

Das wahrhaftige Fühlen des eige­nen Seins bzw. der Welt sind zwei Ziele ein­er Entwick­lungs­be­we­gung. Rudolf Stein­er beschreibt zwei Wege der Erken­nt­nis, den Weg in den Mikrokos­mos der eige­nen Seele – also die Erken­nt­nis des eige­nen Seins — und den Weg in den Makrokos­mos – die Erken­nt­nis der Welt. Und auf bei­den Wegen muss dann durchge­drun­gen wer­den zu dem jew­eils anderen. Auf dem Weg in die eige­nen Unter­gründe der Seele muss hin­durchge­drun­gen wer­den zur großen Geist­welt, zum Makrokos­mos — und auf dem Erken­nt­nisweg in die objek­tive geistige Welt außer­halb des Men­schen muss schließlich die Bedeu­tung des Men­schen, des Mikrokos­mos, für die große Geist­welt, den Makrokos­mos aufscheinen.

Das eigene Sein fern vom Wel­ten-Dasein (20 T) zu erken­nen bedeutet, sich sel­ber als Geist zu erfassen. Der Ich-Sprech­er fühlt sein geistiges Sein als ein bren­nen­des Feuer, das zu erlöschen dro­ht, wenn es sich fern hält von dem, was außer­halb des eige­nen Seins liegt, vom Wel­ten-Dasein. Das Feuer des eige­nen Seins erlis­cht also, wenn es nicht genährt wird mit Bren­n­ma­te­r­i­al, mit Wel­ten-Dasein. Im Mantra 33 g fühlt der Ich-Sprech­er dage­gen die Welt. Er fühlt sie in ihrer frosti­gen Kälte und Sterblichkeit, die nur durch seel­is­ches Miter­leben sich neu erschaf­fen kann, also ver­jüngt aufer­ste­hen, einen neuen Früh­ling erleben kann.

Hitze und Kälte ste­hen sich in den Mantren gegenüber. Zwar dro­ht das Feuer des eige­nen Seins (20 T) zu erlöschen, doch noch bren­nt es und erzeugt Hitze. Es ist ein Innen­vor­gang, denn es dro­ht, in sich, sich selb­st zu erlöschen. Dieses eigene Sein ist ein aktiv han­del­ndes, das Erlöschen wird durch ein Verb in sein­er aktiv­en Form aus­ge­drückt. Das Erlöschen fügt dieses han­del­nde Sub­jekt sich selb­st zu. Die Welt hat dage­gen an sich nur frostig leeres Leben (33 g). Das Leben der Welt zeigt sich als ein Äußeres, das die Welt wie ein Kleid an sich trägt. Und diese Leben­säußerung ist frostig leer, kalt und wesen­los. Alle Leben­sprozesse, die stets Wärme erzeu­gen, sind an ein Ende gekom­men. Und hier ist kein Selb­st, dass eine Lösung des Prob­lems der eige­nen Sterblichkeit her­beiführen könnte.

In bei­den Mantren fol­gt nun ein „Und“. Die Ver­ben dieser Zeilen ste­hen in der Ver­laufs­form: bauend (20 T), offen­barend und schaf­fend (33 g). Hier kommt es offen­sichtlich auf das Geschehen in der Zeit an. Im Mantra 20 T schließt sich mit diesem „Und“ ein zweit­er Ster­ben­sprozess an, der neben dem Erlöschen existiert. Wenn das eigene Sein nur auf eigen­em Grund baut, ertötet es sich selb­st — in sich. Das Bauen ste­ht in der Ver­laufs­form. Es find­et also ver­bun­den mit der Zeit statt, in der jew­eili­gen Gegen­wart. Ich ver­ste­he hier, dass das Selb­st sich ertötet, wenn es nur im Innen­prozess – im Denken – bleibt und nicht ein­bezieht, was das Außen – der fremde Grund – die Wahrnehmung der Welt als Grund­lage des Denkens beiträgt.

Im Mantra 33 g schließt mit dem „Und“ kein vol­lkom­men neuer Aspekt an, wie im Mantra 20 T, son­dern eine Ergänzung. Außer an einem Ort fühlt der Ich-Sprech­er das Leben der Welt frostig leer. Dieser von der frosti­gen Leere sich unter­schei­dende Ort ist der See­lenin­nen­raum. Im seel­is­chen Miter­leben der Welt gibt es See­len­wärme, Inter­esse, bewun­dernde Hingabe, Liebe. An dieses seel­is­che Miter­leben schließt nun das „Und“ an. Hier in der Seele offen­bart sich die Welt ohne Macht und schafft sich dadurch gle­ichzeit­ig neu. Sie schafft sich in der Seele als Vorstel­lung, die zwar hier keine Real­itäts­macht hat, denn sie ist nur Bild, doch offen­sichtlich ist dieses Bild der Keim ein­er neuen Welt. Ohne dieses innerseel­is­che Neuschaf­fen würde die Welt in sich — inner­halb ihrer eige­nen Geset­ze — nur den Tod find­en. Sowohl offen­barend als auch schaf­fend sind Ver­ben in der Ver­laufs­form. Mit dem „Und“ wech­selt die Aktiv­ität vom einzel­nen Men­schen zur Welt. Vor dem „Und“ ist es der Ich-Sprech­er, der seel­isch miter­lebt, nach dem „Und“ ist es die Welt, die sich offen­bart und neu erschafft. Die Welt tut dies nicht nur in ein­er Seele. Es geschieht in See­len, in vie­len See­len — in der ganzen Men­schheit. Hier ist die Welt die aktiv han­del­nde, die in dem Moment der Gegen­wart ständig sich ein­er­seits ohne Macht offen­bart, ander­er­seits neu erschafft. Würde das nicht so sein, kön­nte die Welt in sich nur den Tod finden.

Die bei­den let­zten Zeilen der Mantren ste­hen im Kon­junk­tiv. Sie zeigen eine Zukun­ft, die ein­träte, wenn Men­sch und Welt nicht als höhere Ein­heit zusam­men­wirken. Der Men­sch braucht für das Fortbeste­hen des eige­nen Seins die Welt und die Welt braucht für ihr Fortleben den Ort der Neuschöp­fung im men­schlichen Seeleninnenraum.

In der fol­gen­den Schilderung Rudolf Stein­ers wird deut­lich, wie der Mys­tik­er, der das eigene Sein in den Blick nimmt, hin­durch­dringt zum Makrokos­mos, indem die Bedeu­tung der Welt mit ihren Natur­re­ichen für ihn deut­lich wird. Es sei als Ergänzung zum Mantra 20 T ange­führt: „Dem Mys­tik­er, der in sein Inneres hine­in­steigen will, wird begrei­flich gemacht von dem geisti­gen Lehrer, daß er zunächst fühlen muß ein Gefühl der Demut, das sozusagen bis ins Unendliche geht. Dieses Gefühl läßt sich etwa so schildern. Man kann dem­jeni­gen, der ange­hen­der Mys­tik­er ist, sagen: Sieh dir ein­mal die Pflanze an. Die Pflanze wurzelt in dem Boden. Der Boden bietet ihr ein Reich dar, das niedriger ist als das Pflanzen­re­ich. Die Pflanze kann aber nicht leben ohne dieses Reich, das zunächst für ein niedrigeres genom­men wer­den muß. Wenn die Pflanze sich hin­un­terneigt zu dem min­er­alis­chen Reich, dann kann sie sagen: Diesem niedrigeren Reich, aus dem ich her­vorgewach­sen bin, dem ver­danke ich mein Dasein. Sie müßte sich in Demut zu dem niedrigeren Reich neigen und sagen: Dir ver­danke ich, daß ich bin. Eben­so ver­dankt das Tier dem Pflanzen­re­ich das Dasein. Es müßte, wenn es sein­er Stel­lung im Wel­tenbau sich bewußt wer­den würde, in Demut sich zum niedrigeren Reiche neigen. Und der Men­sch, der sich umschaut in der Welt, er müßte sagen: Eigentlich kön­nte ich diese Stufe nicht erre­icht haben, wenn nicht alles das­jenige, was unter mir ist, sich in der entsprechen­den Weise entwick­elt hätte. — Wenn der Men­sch solche Gefüh­le in sein­er Seele entwick­elt, dann kommt in sie die Stim­mung, daß er eigentlich nicht nur Grund hat, in Dankbarkeit aufzublick­en zu dem, was über ihm ist, son­dern auch mit Dank zu schauen auf das­jenige, was unter ihm ist. Wenn das so recht in der Seele sich ver­bre­it­et, was man die Erziehung zur Demut nen­nen kann, dann wird die Seele durch­flossen und durch­drun­gen von diesem Demutsge­fühl, von dieser Demut­sempfind­ung, daß man noch einen unendlich weit­en Weg vor sich hat, um vol­lkom­men zu wer­den.“ (GA 119, S. 91)

In dem Her­ab­neigen zu den niederen Natur­re­ichen find­et eine Bewe­gung statt, die der Men­sch mit Michaeli begin­nend im Jahr durch­macht, wenn die Erzen­gel-Regentschaften im Jahres­lauf betra­chtet wer­den. Dies ist ein Weg zur Selb­sterken­nt­nis, zur Erken­nt­nis des eige­nen Seins (20 T), ein Weg nach Innen. Dieser Weg führt zum Uran­fang, zu Uriel als dem Herrsch­er des alten Sat­urn. So wie der Men­sch ein Selb­st ist, stellt Rudolf Stein­er vier Selb­ste, vier Erzen­gel als Herrsch­er über die vier Erd-Inkar­na­tio­nen, repräsen­tiert in den vier Natur­re­ichen in den Jahreskreis. Immer schon wurde der Herb­st als Tor in die Unter­welt erlebt, als Beginn des Weges in das See­lenin­nere, denn hier muss der eigene Tod über­wun­den werden.

Im Früh­ling lässt Rudolf Stein­er den anderen Weg begin­nen. Durch das seel­is­che Miter­leben der vier Jahreszeit­en kon­nten die Men­schen in die Weisheit der vier Natur­re­iche — der Welt (33 g) — gewin­nen. Heute, so sagt er, ist dies durch das Nacher­leben der Erdenevo­lu­tion möglich. Immer geht es darum, dass durch Miter­leben die Welt sich im Innern offen­baren und neu erschaf­fen kann.

Im Win­ter im Angesicht des Todes der irdis­chen Welt kon­nte die Materie durch­sichtig wer­den für den Men­schen. Er kon­nte sein Ich aufge­hen sehen wie die Sonne und damit die Zukun­ft der ganzen Erde­nen­twick­lung, ihr Sonne-Wer­den vorausse­hen. Mit dem Früh­ling ist also ana­log zum Herb­st das Tor in den Makrokos­mos verbunden.