Die Licht-Gegensprüche 5 E und 31 e

5 E

Im Lichte, das aus Geistestiefen

Im Raume frucht­bar webend

Der Göt­ter Schaf­fen offenbart:

In ihm erscheint der Seele Wesen

Geweit­et zu dem Weltensein

Und aufer­standen

Aus enger Selb­s­theit Innenmacht.

31 e

Das Licht aus Geistestiefen,

Nach außen strebt es sonnenhaft:

Es wird zur Lebenswillenskraft

Und leuchtet in der Sinne Dumpfheit,

Um Kräfte zu entbinden,

Die Schaf­fens­mächte aus Seelentrieben

Im Men­schen­werke reifen lassen.

Die Eurythmieformen zu den Lichtspruch-Mantren 5 E und 31 e

Über den Buchstaben “E”

Das E ist im Alpha­bet der zweite Vokal und der fün­fte Buch­stabe. Da die Fün­fzahl im Beson­deren mit dem Men­schen zu tun hat, kön­nte man sagen, dass mit dem E das Men­schen­we­sen in ein­er ersten Vol­len­dung erscheint. 

Wie die Graphik zeigt, lassen sich diese ersten fünf Buch­staben (im Uhrzeigersinn) so um den Fün­f­stern anord­nen, dass eine bemerkenswerte Sym­me­trie entste­ht. Die Vokale A und E ste­hen an den “Füßen”, die bei­den weichen Stoßlaute B und D an den “Hän­den” und das C, das sowohl Stoßlaut (CK) als auch Blase­laut (CH und S‑ähnlich) sein kann, ste­ht am “Kopf”. Das C, so sagt Rudolf Stein­er, ist die Aufrichtekraft des kleinen Kindes, die Leichte-Kraft aus der Über­win­dung der Materie. Es ist die Kraft, die den “Kopf” hebt.

Obwohl bei tief­er­er Nach­forschung einige Ver­wirrung zum Vorschein kommt, möchte ich einen Gedanken teilen, der an das alte irische Bau­mal­pha­bet der Ogham Schrift anschließt, wie es Ernst Moll in seinem “Buch Die Sprache der Laute” ver­mit­telt. In diesem Alpha­bet bedeutet die Ulme, ‘Ailm’ das A. Dieser Baum ist den alten Kel­ten der Repräsen­tant des Pflanzen­re­ich­es als Ganzes, der Ätherkraft (Ernst Moll, die Sprache der Laute, S. 64 — im Inter­net find­et sich für Ailm allerd­ings die Kiefer). Das E wird dage­gen irisch als ‘Eadh’, als Espe (Zit­ter­pap­pel) erlebt. Mit ihren nervös im Wind flat­tern­den Blät­tern ver­bildlicht sie den Astralleib. Rudolf Stein­er sagt: “Wenn Sie die ganze Pflanzen­welt studieren, wie sich Form neben Form stellt, so haben Sie ein äußeres Bild, ein auseinan­der gefächertes Bild desjeni­gen, was zusam­menge­zo­gen ist im men­schlichen astralis­chen Leibe. Lesen Sie die deutsche Mytholo­gie, und Sie sehen, wie das erste Men­schengeschlecht gewon­nen wird aus Espe und Ulme.” (GA 167, zitiert aus Ernst Moll, die Sprache der Laute, S. 121) (Anmerkung: in der gegen­wär­ti­gen Aus­gabe von GA 167 ste­ht Esche und Ulme. Doch im Zyk­len­druck von 1920 und auch im Stenogramm von Helene Finckh ist Espe und Ulme zu lesen. Ob Rudolf Stein­er dies im Vor­trag so gesagt hat, wil­lentlich oder verse­hentlich, oder ob es sich um einen Hör- oder Tran­skrip­tions­fehler seit­ens der Stenografin han­delt, ist ret­ro­spek­tiv nicht mehr zu klären.)

In der Wölus­pa (Lied in der Edda, der nordisch-ger­man­is­chen Mytholo­gie) wird geschildert, wie drei Göt­ter zwei Bäume am Ufer find­en, Ask und Embla. Embla wird als Ulme ver­standen, auch wenn die Worther­leitung nicht sich­er ist. Ask bedeutet Esche, doch Rudolf Stein­er spricht in der obi­gen Wieder­gabe von der Espe. Diese Bäume wer­den von den Göt­tern mit Seele, Sinn und Blut begabt und dadurch zu Men­schen. Ask (Espe — E) ist also der nordis­che Adam, der Astral­men­sch, der Ner­ven-Sin­nes­men­sch, der erzit­tert wie Espen­laub im Erleben der Gewalt göt­tlich­er Kräfte. Embla (Ulme — A) ist die nordis­che Eva, der Äther­men­sch. Die Äther­charak­ter­is­tik zeigt sich an der Ulme wie fol­gt. Sie wächst gerne in Wassernähe an son­ni­gen Stan­dorten. In Griechen­land war sie Her­mes gewei­ht, dem Gott der Händler, Kau­fleute, Ärzte und Diebe. In Eng­land und Frankre­ich war die Ulme im Mit­te­lal­ter gesuchter Schutzbaum für poli­tis­che Unterre­dun­gen. Auch ihre Blät­ter zeigen die beson­dere Wirk­samkeit der Ätherkräfte. Kein Baum weist eine so große Form- und Größen­var­i­anz der Blät­ter auf, wie die Ulme. (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 65)

Es gibt von Rudolf Stein­er auch eine Zuord­nung der Vokale zu den Plan­eten. Hier ste­hen A und E eben­so für das Männlich-Weib­liche: A ist der Venus-Vokal, also weib­lich und E ist der Mars-Vokal, also männlich. Die Kon­so­nan­ten B und D kön­nen wie eine Bekräf­ti­gung dieser Geschlecht­szuord­nung ange­se­hen wer­den. Das B ist Hülle-bildend, sein Baum ist im irischen Alpha­bet die Birke. Das B hat weib­lichen Charak­ter. Das D deutet und richtet die Aufmerk­samkeit, es strahlt zu einem Ziel. Sein Baum ist die Eiche, sein Charak­ter ist männlich. Das C ist Coll, die Hasel­nuss, die Herz-Nuss und deutet auf das echte Begreifen mit dem Herzen, das Erheben der intellek­tuellen Begriffe.

Die “weib­liche” und “männliche” Seite des Alpha­bets und die bei­den Men­schen-Bäume der Edda vor dem Hin­ter­grund des Seelenkalenders

Drückt sich im A die staunende Hingabe, das Eins-sein mit allem aus, so im E das sich Abgren­zen und ehrfürchtige Gegenübertreten. Rudolf Stein­er sagt: “Das E ist ein Laut, der immer eigentlich die Men­schen außeror­dentlich inter­essiert hat. Bei dem A eröff­nen wir uns bewun­dernd der Welt. Wir lassen die Welt an uns her­ankom­men. Wenn wir E empfind­en, lassen wir die Welt nicht ein­fach an uns her­ankom­men, son­dern wir set­zen uns schon etwas zur Wehr, wir stellen uns der Welt gegenüber. Die Welt ist da, und wir stellen uns der Welt gegenüber hin. Daher ist das E darin­nen beste­hend, dass wir uns sel­ber berühren [durch eine Kreuzung der Glied­maßen, A.F.].” (GA 279)

Im E kommt zum Aus­druck, dass das nach Außen tönende Innere sich unter­schei­det von der Umwelt. Diese Umwelt hat auf das Innere eingewirkt, es ist etwas geschehen, das auch schmerzhaft gewe­sen sein kann, das weh getan hat. “Das E ist ein ‘Ende’ … Man kann das E nur erleben, wenn etwas geschehen ist.” (Rudolf Stein­er, GA 279). Es ist das Echo der Seele. Das E bein­hal­tet deshalb zum einen das Erleb­nis des Seien­den, der Erde, des Fes­ten, zum anderen das sich Behaupten, das sich Stark­machen gegen dieses, was nicht Ich ist. Hier liegt der Ursprung der kämpferischen Marskraft im E. “Über­all, wo ein E auftritt, hat man das­jenige, was ich etwa beze­ich­nen möchte: das hat mir etwas getan, das ich spüre. … Im E wird man von etwas berührt, und man behauptet sich dage­gen.” (Rudolf Stein­er, GA 279) Das Schw­ert, der Degen, der Speer, das Mess­er sind Worte, in denen der E‑Aspekt des sich Wehrens und Versehrens her­vor­tritt. Das E sagt “nee”, es ist der Vokal des ‘gegen’ und des ‘Begeg­nens’, der ‘Fehde’ und ‘Feme’. (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 119)

Wird mehr auf das Innere geschaut, so sagt Rudolf Stein­er, ist es das Erleben: “Geistiges geschieht in ihm.” (GA 279) Hier ist es der Vokal des Zarten und Feinen, der Fed­er, der Feen und der Seele, der Engel und des reinen Schnees. Im Inneren ist das eigene Leben, das dem ruhi­gen See oder dem bewegten Meer gle­icht. “Beim E, da ist eigentlich das vorhan­den, dass der Men­sch sich inner­lich fassen will, sich inner­lich zusam­men­ziehen will. Daher ja auch in der Eury­th­mie das Berühren sein­er selb­st, dieses Gewahrw­er­den sein­er selb­st.” (Rudolf Stein­er, GA 315)

Die Ver­mit­tlung der äußeren Wahrnehmung geschieht durch die Sinne und Ner­ven. So wie das E durch die Kreuzung das Innen abschließt und gle­ichzeit­ig wahrnehmend nach Außen durch­dringt, so kreuzen sich auch die Ner­ven­bah­nen im Organ­is­mus beim Ein­tritt vom Rück­en­mark in den Schädel. Das Wort Nerv ist vom E geprägt und auch beim Sehvor­gang kreuzt sich der Sehstrahl. Das E ist der Vokal des Bewusst­wer­dens und Denkens, dessen mythol­o­gis­ches Bild das Pferd ist. Verehrung ist erst möglich, wenn das Höhere, Größere erkan­nt wird. Im Hebräis­chen bedeutet ‘el’ der ‘Starke’, der ‘Mächtige’ und ist die Beze­ich­nung für die Göt­ter im All­ge­meinen, der Plur­al lautet ‘elim’. In den Engel­nah­men Michael, Raphael, Gabriel, Uriel ist diese Göt­ter­beze­ich­nung erhal­ten. ‘Eloah’ wird der höch­ste Gott dort genan­nt, die Mehrzahl lautet ‘Elo­him’. “Das hebräis­che Wort ‘Elo­him’ weck­te in den althe­bräis­chen Weisen die Vorstel­lung von ein­er Gruppe geistiger Wesen­heit­en, die ihre Tätigkeit­en zu einem gemein­samen Ziel grup­pieren: und dieses Ziel ist der Erden­men­sch.” (Rudolf Stein­er, GA 122, in: Die Sprache der Laute, S. 125)

Das E drückt das Leben des Men­schen auf der Erde aus mit allen Wider­sprüch­lichkeit­en des Innen und Außen, aller Enge und Angst, Ehre und Her­rlichkeit und allem Sehnen nach dem Garten Eden, dem einge­hegten himm­lis­chen Paradies, dem der Men­sch entstammt. Ernst Moll beschreibt die Vokale als Aus­druck der Lebensstufen: “Das Kind ist A, die Jugend ist E. In der Wehrhaftigkeit des Jünglings, (selb­st in der Furcht­samkeit des Mäd­chens), meldet sich die Ära des Mars. Mit der Aus­gestal­tung des Ner­ven­sys­tems zieht sich der Men­sch nach innen hin zusam­men, um sich wahrzunehmen und in seinem Instru­ment sich zu spiegeln. Eigentlich han­delt es sich bei diesem Zusam­men­ziehen um eine Schwächung des Kör­pers. … Was unter anderen Bedin­gun­gen als krankhaft zu betra­cht­en ist, das ist nor­mal für die Jugend: das Schlank­sein als Kör­per­bild des inneren sich Zusam­men­ziehens. Das Laut­bild dafür ist das E. Der E‑Vokal ist … Vorstufe zum I. Das nahende Ich, wo die Leib­lichkeit in der dün­nen Lin­ie des I und schließlich im I‑Punkt gle­ich­sam ver­schwindet und sich vergeistigt, macht sich räum­lich-leib­lich gel­tend im E. Das Vergeistigte des I oder Ich, noch an den Leib gebun­den im vor­ange­hen­den E, prägt sich als Schlankheit, Dünn­sein aus. … Vor der Krise des I aber erscheint als objek­tive Furcht das E.” (Die Sprache der Laute, S. 122) Und Rudolf Stein­er sagt: “… eine Sprache, die beson­ders ‘E’-reich ist, wird eben Dünnlinge erzeu­gen, schwäch­liche Men­schen erzeu­gen.” Das E ist die Krise vor dem Wen­depunkt, dem I. Danach fol­gt das O, die Kor­pu­lenz des Erwach­se­nenal­ters. Im U schließlich ist die See­len­stim­mung des Ursprungs enthal­ten, zu dem das Alter wieder hinführt.

Über die Gegen­sprüche 5 E und 31 e

Die Gegen­sprüche 5 E und 31 e sind Licht­sprüche, denn sie han­deln vom Licht. Sie sprechen sog­ar von der gle­ichen Lichtquelle, vom Licht aus Geis­testiefen. Das ist bei den anderen bei­den Licht­sprüchen des See­lenkalen­ders (22 V und 48 w) anders. Let­ztere han­deln von unter­schiedlichen Lichtquellen und sie sind wegen der ver­schiede­nen Buch­staben in der Über­schrift auch keine Gegen­sprüche. Die Licht- und Gegen­sprüche 5 E und 31 e sind im See­lenkalen­der also einzi­gar­tig und kön­nen wie durch einen einzi­gen Licht­strahl gebildet betra­chtet wer­den. Das Mantra 31 e han­delt (wie auch das Mantra 22 V) von der Lichtquelle, das Mantra 5 E (wie auch das Mantra 48 w) vom Beleuchteten. Mit allen Licht­sprüchen teilen 5 E und 31 e jedoch, dass sie in der beschreiben­den drit­ten Per­son geschrieben sind. Das bedeutet, dass der in ihnen dargestellte Prozess dem Bewusst­sein nicht direkt zugänglich ist.

Das Licht, um das es in den bei­den Gegen­sprüchen 5 E und 31 e geht, stammt aus Geis­testiefen. Ich ver­ste­he dieses Licht als das aus der Tiefe der Leib­lichkeit auf­steigende Bewusst­seinslicht. Rudolf Stein­er beschreibt, wie sich das Leben, dessen Organ ins­beson­dere das Blut ist, im Herzen vergeistigt. Er nen­nt diesen Vor­gang die Ätheri­sa­tion des Blutes. Nur durch diesen laten­ten Abster­be­prozess ist der Men­sch in der Lage, ein Bewusst­sein zu entwick­eln, dass über die direk­ten lebenser­hal­tenden und fortpflanzen­den Ziele des Tieres hin­aus­ge­hen kann.

Da das Mantra 31 e die Lichtquelle beschreibt und das Mantra 5 E das in diesem Licht Erscheinende, werde ich ent­ge­gen mein­er Gewohn­heit mit dem Gegen­spruch des Win­ter-Hal­b­jahres, mit 31 e begin­nen. Das Licht aus der Tiefe impliziert, dass es ein auf­steigen­des Licht ist. Außer­dem strebt es nach außen, wie es auch das Son­nen­licht tut. Es strahlt ring­sum aus und bre­it­et sich im Raum aus. Vom Mantra 5 E ist zusät­zlich zu erfahren, dass dieses sich im Raum aus­bre­i­t­ende Licht webt. Es webt sog­ar frucht­bar und offen­bart das Schaf­fen der Göt­ter. Dieses Bewusst­seinslicht erleuchtet also nicht nur pas­siv den Wahrnehmung­shor­i­zont des Men­schen, es ist sel­ber aktiv. Es webt und offen­bart das Götterschaffen.

Welche Göt­ter kön­nte dieses Bewusst­seinslicht offen­baren? Ich erkenne das Urbild dieses men­schlichen Bewusst­seinslicht­es im Jahreskreis. Das beim wachen Men­schen ausstrahlende Licht des füh­len­den Gewahr­seins, das nach außen in der Wahrnehmung und nach innen im Denken leuchtet entspricht dem Jahreskreis mit dem Som­mer-Hal­b­jahr oben und dem Win­ter-Hal­b­jahr unten. In diesem Jahreskreis wirken laut Rudolf Stein­er vier mächtige Urkräfte, die Erzen­gel Uriel, Raphael, Gabriel und Michael. Ihre End­silbe ‘el’ weist sie als Göt­ter aus. Diese Erzen­gel weben im Jahres­lauf und gle­ichzeit­ig wirken sie in der men­schlichen Seele. Rudolf Stein­er sagt über sie: „Vier gewaltige, erhabene Gestal­ten ste­hen im Wel­tenraume, ein jed­er nach ein­er der vier Rich­tun­gen. So for­men sie das kos­mis­che Kreuz. Sie lenken und leit­en die Wel­tenvorgänge und sind die Diener des Einen, der das Leben der Sonne ist. Während eines jeden kos­mis­chen Tages wer­den sie abwech­sel­nd von dem Son­nengeist inspiri­ert. Sie sind die Urkräfte, welche sich spiegeln in den drei Kräften des Denkens, Füh­lens und Wol­lens im Kos­mos und in der men­schlichen Seele. Der eine, der am mächtig­sten ist [Michael], enthält in sich die Kräfte der drei anderen, er ist der vol­lkom­men­ste, durch ihn kön­nen die andern erst geschaut und ver­standen wer­den. Er ist der direk­te Diener des großen Son­nengeistes und leit­et die Zukun­ft, auf daß sie zur Gegen­wart wird. Die Strahlen seines Licht­es brin­gen den men­schlichen See­len Erken­nt­nis. Wie einen neuen Tag ankündi­gend, leuchtet sein Licht aus dem Osten.” (Lit.: GA 265, S. 336f)

Im Licht aus Geis­testiefen, das son­nen­haft nach außen strebt, wirkt der Son­nengeist frucht­bar — Frucht schaf­fend — im Men­schen. Die Erzen­gel-Göt­ter sind seine Diener, deren Schaf­fen in diesem Licht offen­bar wird. Nun ste­ht in bei­den Mantren ein Dop­pelpunkt. Das Fol­gende wird dadurch als Kon­se­quenz des bish­er gesagten gekennze­ich­net. Im Mantra 31 e wird das Licht aus Geis­testiefen, das Bewusst­seinslicht, zur Lebenswil­len­skraft. Warum? Das Bewusst­seinslicht wird zum per­sön­lichen Besitz. Das eigene Bewusst­sein, auch wenn es noch kein Selb­st­be­wusst­sein ist, will erhal­ten wer­den. Lebenswille entste­ht, denn das Leben ist die Grund­lage des Bewusst­seinslicht­es. In jedem höheren Lebe­we­sen wirkt eine Kraft, die dieses Leben vertei­digt, die das Leben will — die Lebenswil­len­skraft. Im Mantra 5 E wird gesagt, was in dem bis dahin beschriebe­nen weben­den Licht aus Geis­testiefen, in dem die Göt­ter offen­bar wer­den, erscheint — und das ist das Wesen der Seele. Ein Unsicht­bares, Inneres erscheint hier. Ganz anders im Mantra 31 e. Nach­dem das Licht aus Geis­testiefen Lebenswil­len­skraft gewor­den ist, leuchtet es in die Dumpfheit der Sinne. Es leuchtet also nach außen und ermöglicht die Wahrnehmungs­fähigkeit des Men­schen. Mit geweck­ten Sin­nen erlebt sich der Men­sch als ein Eigen­we­sen, dessen Leben von der Umwelt bedro­ht wer­den kann. Die Lebenswil­len­skraft führt zur Wach­samkeit der Sinne, um das eigene Leben zu schützen. Die Lebenswil­len­skraft, die durch die Sinne in die Umwelt leuchtet, ent­bindet Kräfte. Sin­nes­reize führen zu sym­pa­this­chen oder antipathis­chen Reak­tio­nen. Angenehme Reize weck­en das Ver­lan­gen nach Wieder­hol­ung und Steigerung, unan­genehme Reize bewirken Abscheu und sollen ver­mieden wer­den. Diese unbe­wussten Reak­tio­nen des Äther­leibes ver­ste­he ich als die See­len­triebe. Es treibt die Seele zu dem Reiz hin oder von ihm weg. Ein Trieb ist die ätherische Reak­tion auf den physis­chen Sin­nes­reiz, sagt Rudolf Stein­er, und erst im Astralleib wird der Trieb Begierde. Schaf­fens­mächte, Gestal­tungskom­pe­ten­zen reifen dadurch, dass der Men­sch auf der Grund­lage der seel­is­chen Reak­tion auf die Sinneswahrnehmung zu han­deln begin­nt und Werke erschafft. Die Schöpfer­kraft des Men­schen benötigt das Bewusst­sein, der Welt gegenüberzuste­hen, auf sie wirken zu können.

Im Mantra 5 E erscheint das Wesen der Seele. Doch diese Seele erscheint nicht getrieben, an die Sinne gebun­den wie im Mantra 31 e durch die See­len­triebe. Das Wesen der Seele im Mantra 5 E ist geweit­et zum Wel­ten­sein. Die Seele ist aufer­standen aus der engen Innen­macht der Selb­s­theit. Die Seele erscheint befre­it von der Dual­ität, von dem Abge­gren­zt­sein und dem Gegenüber­ste­hen der Welt. Die Tren­nung von seel­is­ch­er Innen­welt und sinnlich wahrnehm­bar­er Außen­welt ist aufge­hoben. Im Rus­sis­chen bedeutet der Aus­ruf ‘Chris­tus ist aufer­standen!’ (‘Christós voskréss!’) wörtlich: Chris­tus ist entkreuzt. (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 113) Und mit der Entkreuzung ist nicht die Kreuz­ab­nahme des Leibes gemeint. Es ist gemeint, dass der Aufer­standene nicht mehr an das Kreuz des Wel­tenleibes gebun­den ist, so wie alle im Kör­p­er leben­den Men­schen. Das Bild der Kreuzi­gung der Welt­seele — und damit aller men­schlichen See­len — am Wel­tenleib geht auf Pla­to zurück. Wil­helm Kel­ber schreibt: „Pla­ton … hat­te das Bild geprägt von der Welt­seele, die in der Form des griechis­chen Buch­staben Chi (X), also etwa in ein­er Fig­ur, wie sie das soge­nan­nte Andreaskreuz darstellt, auf dem erschaf­fe­nen Kos­mos aus­ges­pan­nt ist.” (Die Logoslehre, S. 103) Der griechis­che Buch­stabe Chi (X) entspricht in sein­er Form der von Rudolf Stein­er angegebe­nen Gebärde für das E; den gekreuzten Glied­maßen, klas­sis­ch­er Weise der Unter­arme. Im Mantra 5 E erscheint das Wesen der Seele geweit­et zum Wel­ten­sein. In mein­er Vorstel­lung ist das Wesen der Seele nun nicht mehr kreuzför­mig, d.h. ans Kreuz gebun­den, son­dern kre­is­för­mig bzw. sphärisch. Die Seele ist wieder son­nen­haft. In der Eury­th­mie gibt es für das E eine zweite, ganz andere Aus­drucksmöglichkeit. Es ist das soge­nan­nte Horizont‑E, das durch waagerecht seitlich aus­ge­bre­it­ete Arme dargestellt wird. Leicht lässt sich dieses E als die Teilung der Hal­b­jahre in eine obere Som­mer-Jahreshälfte und eine untere Win­ter-Jahreshälfte vorstellen. Das Wesen der Seele gle­icht nun dem Jahreskreis. Sie erscheint im Licht aus Geis­testiefen und dadurch ist sie eins mit dem Licht aus Geis­testiefen. Sie ist dieses Licht, in dem das Schaf­fen der Göt­ter, der vier Jahreskreis-Erzen­gel, offen­bar wird.

Das Mantra 31 e schildert, wie das Licht aus Geis­testiefen zum irdisch-dualen Bewusst­sein des Men­schen führt — zu sein­er Bindung an das Kreuz — zur Abtren­nung der seel­is­chen Innen­welt von der Außen­welt. Dieser Aspekt drückt sich im eury­th­misch gekreuzten E aus. Das Mantra 5 E schildert, das auch die Über­win­dung der Dual­ität, die Aufer­ste­hung der Seele, schon in diesem Licht aus Geis­testiefen enthal­ten ist, dass die Aufer­ste­hung in diesem Licht erscheint und dadurch sich ver­wirk­licht. Dieser kon­trären See­len­si­t­u­a­tion entspricht das E der waagerecht seitlich aus­ge­bre­it­eten Arme.