Die Krisen-Gegensprüche 7 G und 33 g

7 G

Mein Selb­st, es dro­het zu entfliehen,

Vom Wel­tenlichte mächtig angezogen.

Nun trete du mein Ahnen

In deine Rechte kräftig ein,

Erset­ze mir des Denkens Macht,

Das in der Sinne Schein

Sich selb­st ver­lieren will.

.…33 g

So fühl ich erst die Welt,

Die außer mein­er Seele Miterleben

An sich nur frostig leeres Leben

Und ohne Macht sich offenbarend,

In See­len sich von neuem schaffend,

In sich den Tod nur find­en könnte.

 

Die Eurythmieformen zu den Krisenspruch-Mantren 7 G und 33 g

Über den Buchstaben “G”

Das G nimmt im griechis­chen Alpha­bet den drit­ten Platz ein, der für unser Alpha­bet zum C wurde. Bei­de Buch­staben verbindet das The­ma des Lebendi­gen. Drückt sich im C die Leichte-Kraft der Vergeis­ti­gung aus, die Über­win­dung der Materie (3 C — 29 c), so im G die auf die Erde führende, befes­ti­gende, inkarnierende Kraft. Im lateinis­chen Alpha­bet nimmt das G den siebten Platz ein und bringt damit zum Aus­druck, dass mit ihm das Schöpferisch-Prozesshafte, das z.B. in den klas­sis­chen sieben Plan­eten oder Wochen­t­a­gen lebt, zur Vol­len­dung, zum Abschluss kommt — ein Ganzes wird. Das G ist der Gottes­laut, das ursprünglich Gute, die Gen­e­sis der ersten Vater­schöp­fung, der Geist, der in der gen­er­a­tiv­en Vererbung wirkt und Gen­er­a­tion für Gen­er­a­tion her­vor­bringt. Das G hat gewaltige Kraft. Als Gau­men- und Stoßlaut ist das G mit dem Willen, dem Stof­fwech­sel und der Erde ver­bun­den und drückt stets aus, dass ein Geschöpf, ein Geist sich auf der Erde zur Gel­tung bringt. Der Name Gabriel bedeutet nach Rudolf Stein­er ‘Gott-Verkün­der’, Gottes Wort, ‘Got­taus­sager’. (GA 273)

Die Qual­itäten des G reichen von den reinen Leben­skräften, die das G in ‘Engel’ repräsen­tiert (das NG inter­pretiert Ernst Moll als GG) bis zum Allzu­men­schlichen, wie es sich z.B. in den Worten ‘Ego’, ‘Gier’ und ‘Geiz’ zeigt. “Im Wil­len­shaften befes­tigt man sich, ins­beson­dere, sofern es die Äußerung der mehr unbe­wussten Kräfte im Men­schen ist, dessen, was aus den rein natur­mäßi­gen Untergün­den her­vorstößt. Das alles ist eben der naturhafte Ego­is­mus. Er steckt im Grunde in jedem Stoßlaut ver­bor­gen. Denn immer zeigt dieser ein ‘Gel­tend­machen des Inneren’. (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 144) Was Rudolf Stein­er für alle Stoßlaute sagt, charak­ter­isiert das G im beson­deren: “Es ist die Sym­pa­thie mit sich selb­st in den Stoßlaut­en aus­ge­drückt … Die Stoßlaute sind ego­is­tisch … Wo ein Stoßlaut ist … will eine scharfe Kon­tur geze­ich­net wer­den … Stoßlaute: Laute für die See­len­ver­fas­sung des Ego­is­mus, für die Gel­tend­machung der eige­nen men­schlichen Wesen­heit, die man bewahren will draußen in der Welt. Beim Stoßlaut muss der Kör­p­er nicht durch Bewe­gung wirken, son­dern durch Hal­tung … Eine ‘Ver­stei­fung’ tritt ein.” (GA 279, in Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 144f)

Das G gren­zt nach außen ab und hält das Innere zusam­men, wie es der hebräis­che Name für Kreis, ‘galil’ verdeut­licht. ‘Galiläa’ bedeutet Kreis oder Bezirk der Hei­den (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 145) Der ‘Garten’, ins­beson­dere der Paradies­garten bringt diese Geste eben­so zum Aus­druck. Rudolf Stein­er sagt: “Alles Äußere abwehren, das Inner­liche zusam­men­hal­ten gibt die G‑Gebärde.” (GA 279) Zu dieser Gebärde des Abgren­zens kommt hinzu die Aufrich­tung aus der Kraft von unten, das zur Gel­tung brin­gen des Eige­nen. “Das sich Erheben als räum­lich­er Vor­gang kann sog­ar bis zur Lösung vom Erd­bo­den führen. Schon im ‘Gehen’, im aufrecht­en ‘Gang’ ist dieser Aspekt gegeben. (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 151).

Der griechis­che Name ‘Gam­ma’ leit­et sich ab vom phönizis­chen ‘Gimel’, das Kamel bedeutet. Das Kamel kann den lebens­feindlichen Bedin­gun­gen in der Wüste trotzen, seinen Wasser­vor­rat zusam­men­hal­ten. Die ein oder zwei Höck­er ragen wie Gipfel in den Him­mel. Das G ist auch die aufra­gende Erhe­bung, der hohe Grad, der Giebel und damit auch Schädel des Men­schen: ‘Gol­gatha’ bedeutet die Schädel­stätte, der Ort der Kreuzi­gung Christi, an der ER sich opferte für die Men­schheit. Rudolf Stein­er sagt: “Das­jenige, was der über­schüs­sige Ego­is­mus im men­schlichen Blut war, das rann am Kreuze mys­tisch-real aus den Wun­den des Chris­tus Jesus her­aus, das wurde geopfert.” (GA 96, S. 286)

Die Form des Gam­ma Γ entspricht einem Gal­gen, einem aufra­gen­den Gerüst. Auch dieses Feste, Gegrün­dete ist G. Für die Sprache, ‘Glos­sa’ bedeutet auf Griechisch die ‘Zunge’ oder die ‘Sprache’, übern­immt die Gram­matik diese befes­ti­gende Funk­tion. Der Gau­men, Ort der Laut­bil­dung des G, der hin­ten weich, im vorderen Mund­bere­ich jedoch hart ist, gle­icht einem fel­sig hart gewor­de­nen Him­mels­gewölbe. Dadurch wird dieser alt und fest gewor­dene, aus der Ver­gan­gen­heit stam­mende Him­mel zur ‘Grotte’ der Geburt Christi und gle­ichzeit­ig zum ‘Grab’, zum tiefen Ab-‘Grund’. In der nordis­chen Mytholo­gie heißt der Schöp­fungsab­grund ‘Gin­nun­gagab’. In den Sagen der Iro-Kel­ten wird die Ursprache ‘Gor­tigheam’ genan­nt. (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 160). So wie die Sprache aus der Vielzahl der Laute beste­ht, so besitzt das G gliedernde, abgren­zende und dadurch Gestalt bildende Qual­ität. Rudolf Stein­er beschreibt es so: “Merken Sie, wie der Ein­druck des Körni­gen schon liegt in Worten wie: Grau, Gries, Granat, Graupe, und wie Sie selb­st körnig empfind­en müssen, wenn Sie sagen Gräulich ist das.” (GA 280, in Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 156)

Das Granitharte ist nicht nur das Körnige, son­dern auch das ‘Glat­te’, ‘Glasklare’, ‘Glänzende’, ‘Glitzernde’. Hier wer­den wir zur Leuchtkraft des G, der rot leuch­t­en­den ‘Glut’ und zum ‘gel­ben’ ‘Glanz’ und ‘Gold’ geführt. Dieses Licht kann ver­führen. Dann wird das Gold zum begehrten ‘Geld’, das G wird ‘glitschig’, ‘glei­t­end’ und schlangen­haft ‘giftig’. Das Ego macht sich geltend.

Doch nicht nur das Ego hat mit dem G zu tun, auch das Ich braucht die befes­ti­gende, gerüst­bildende Kraft. Rudolf Stein­er sagt über das ‘Ich-Gerüst’: “Es ist wirk­lich unserem physis­chen Leib etwas eingegliedert wie ein feines Gerüste. … Der Men­sch trägt ein ihm ein­fach durch seine Ich-Organ­i­sa­tion eingeprägtes Gerüste mit sich herum, ein sehr feines Gerüste, welch­es allerd­ings aus den Kräften des Äther­leibes her­aus dem physis­chen Leib einor­gan­isiert ist. .. Nun wer­den Sie leicht ein­se­hen kön­nen, dass dieses Gerüste, das das Ich da in den men­schlichen Organ­is­mus hineinz­im­mert, eigentlich in gewis­sem Grade ein Fremd­kör­p­er ist. Der men­schliche Organ­is­mus hat auch fortwährend die Ten­denz gegen dieses Gerüste sich zu wehren. Er bestrebt sich namentlich jede Nacht beim Schlafen, diese Gerüst zu ruinieren.” (GA 312, in Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 155f)

Das Auge hat mit der Bil­dung dieses inneren Ich-Gerüstes zu tun. Rudolf Stein­er erk­lärt: “Durch den Sehvor­gang wird dem Organ­is­mus ein Phan­tom eingegliedert, ein Gerüste” und auch “Alles das­jenige, was zwis­chen Auge und Außen­welt, bzw. durch das Auge zwis­chen Seele und Außen­welt spielt, das stellt diese Aufrich­tung eines Gerüstes — in Reinkul­tur dar.”  und weit­er “wenn Sie studieren die Augen-Organ­i­sa­tion eines Men­schen, so wer­den Sie zu einem urteils­gemäßen Erfassen des Äther­leibes kom­men kön­nen, des Äther­leibes, der dann so ähn­lich ist dem, was ich jet­zt als ein Gerüst beze­ich­net habe.” (GA312, in Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 158) Das Auge ver­mit­telt im Wesentlichen, was Vorstel­lung und Erin­nerung wer­den kann. Es ver­mit­telt die Grund­lage zum Denken. Und im Begreifen, dem inneren ‘Greifen’ wird aus Einzel­heit­en ein Ganzes: aus Bergen wird das ‘Gebirge’, das mehr ist als eine Ansamm­lung von Bergen. Einzelne Bau-Werke wer­den zum ‘Gebäude,’ aus der Tätigkeit des Fassens wird das ‘Gefäß’, alles was wächst, ist ‘Gewächs’.

Der irokeltische Name des G lautet ‘Gort’ und bedeutet Efeu. Wegen sein­er dreispitzi­gen, “dreifälti­gen” Blät­ter und seinem immer­währen­den, “unsterblichen” Grün wird der Efeu in Eng­land zur Wei­h­nacht besun­gen und verehrt. An den Efeu denke ich im Beson­deren bei dem, was Rudolf Stein­er über die Farbe ‘Grün’ und das Denken sagt: “Wenn wir … imstande sind, uns dem, was real als das Grüne auf­schießt, hinzugeben, so kön­nen wir … dies so weit treiben, dass das Grüne als Grünes für uns ver­schwindet … Dafür aber … fühlt die Seele …: ‘Jet­zt ver­ste­he ich das, was ich erlebe, wenn ich in mir vorstelle, was ich in mir denke, schaffe, wenn ein Gedanke in mir auf­schießt … Das ver­ste­he ich jet­zt erst, das lehrt mich das Her­vor­s­prießen des Grü­nen über­all um mich herum … Das Grün der Pflanzen sagt es mir, wie ich fühlen sollte in mir selb­st, wenn meine Seele beg­nadet ist, Gedanken zu denken, Vorstel­lun­gen zu hegen’.” (GA 136, in Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 147)

Ein Gedanke kann wach­sen und sich ent­fal­ten wie eine Pflanze. Er kann jedoch auch kristallin, klar und geprüft — an der Real­ität erhärtet sein. Eine solche Dauer und Uner­schüt­ter­lichkeit drückt sich im G der Stein-Worte aus. Lateinisch heißt der Bern­stein ‘glae­sum’ und der Kiesel­stein ‘glarea’, der Edel­stein gém­ma. Hebräisch ist ‘gar­al’ der Stein, ‘gal’ der Stein­haufen. Das hebräis­che ‘gar­al’ wurde zu dem rät­sel­haften deutschen Wort ‘Gral’, der sowohl Kelch als auch Stein ist. Als Stein wird er ‘Lapist exil­lis’ genan­nt, bzw. ‘Lapis ex caelis’, was bedeutet: ‘er fiel aus dem Him­mel’. (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 157) Das G als Gral ist die Gestalt und Leben schenk­ende gen­er­a­tive Schöpfer­kraft, die einst im Him­mel war, doch dann auf die Erde fiel, als der Men­sch mit der Sprache das Denken lernte, um sich und die Welt schließlich darin zu erken­nen, zu erschaffen.

 

Über die Gegensprüche 7 G und 33 g

Die Gegen­sprüche 7 G und 33 g sind soge­nan­nte Krisen­sprüche. Sie verdeut­lichen eine Entwick­lung, die an ihr Ende gekom­men ist und bedrohliche, lebens­feindliche Fol­gen hätte, wenn keine Wen­dung stat­tfind­et. Im Mantra 7 G beste­ht die Krise darin, dass das Selb­st dro­ht zu ent­fliehen, da es vom Wel­tenlicht mächtig ange­zo­gen wird. Im Mantra 7 G bet­rifft die Bedro­hung den Men­schen, sein Selb­st, und sie geht von der Welt, dem Wel­tenlicht aus. Im Mantra 33 g ist die Welt in ihrem Fortbe­stand bedro­ht, denn das Leben der äußeren Welt ist frostig und leer gewor­den. Die Herb­st-Welt ist unweiger­lich dem Tode gewei­ht, das natür­liche Leben ist an ein Ende gekommen.

Im Mantra 7 G wird es für den Men­schen als Selb­st zum Prob­lem, wenn er weit­er dem Wel­tenlicht fol­gt, das dieses Selb­st mächtig anzieht. Das Wel­tenlicht lässt das Selb­st nicht frei. Es zieht es an, es zieht es zu sich hin — also weg von sich selb­st. Was ist dieses Wel­tenlicht — und was ist das Selbst?

Das Wel­tenlicht ist zum einen sicher­lich die äußere Sonne, die im Früh­ling immer mehr an Kraft gewin­nt und den Men­schen in die Außen­welt lockt. Sie lockt ihn in den Wahrnehmungs­bere­ich der Seele, wo er für sich sel­ber ein­schläft, wo er mit dem Wahrnehmungs­ge­gen­stand ver­schmilzt und erst wieder zu sich erwacht, wenn er begin­nt, den Begriff hinzuzufü­gen (so Rudolf Stein­er). Ich denke, das Wel­tenlicht meint hier noch mehr. Jed­er Erken­nt­nisvor­gang ist ein seel­is­ch­er Licht-Prozess. Wird dieses Licht an der Welt, an der Materie gewon­nen, wie es die Natur­wis­senschaft heute anstrebt, so ist dieses Licht ein materielles Erken­nt­nis­licht, ein Wel­tenlicht. Die Erken­nt­nis des Men­schen als eines geisti­gen Wesens, als geistiges Selb­st, ent­flieht dadurch. Das Wel­tenlicht kann außer­dem auch als der Weisheitsstrom, die Urflut ver­standen wer­den, die noch Geist ist, aber im Begriff, sich in materiell inkarnierte Wesen zu wan­deln, neues Leben zu erschaf­fen. Diese Urflut zieht alles in ihre Strö­mung der Ver­leib­lichung hinein, auch das Selb­st des Men­schen, sodass der Men­sch zu tief inkarniert und seine geistige Heimat ver­gisst. (Obwohl auch im Mantra 12 ! das Wort ‘Wel­tenlicht’ vorkommt, ist die Wortbe­deu­tung nicht die gle­iche. Vielmehr ist sie durch den anderen Kon­text neu zu betrachten.)

Und was ist das Selb­st, von dem jed­er so selb­stver­ständlich redet, wenn er sich der Welt gegenüber­ste­hend erlebt. Warum dro­ht dieses Selb­st zu ent­fliehen? Das Selb­st ist die Spiegelung des Ichs an der Physis, so sagt Rudolf Stein­er. Der Leib gibt dem Men­schen die Gewis­sheit, ein Eigen­we­sen, ein Selb­st zu sein. Doch diese Selb­st-Erken­nt­nis ist zunächst eine Erken­nt­nis im Bewusst­sein. Auch wenn das Selb­st eine Spiegelung des Ichs am physis­chen Leib ist, so ist sie doch als solche geistiger Natur. Ver­wech­selt der Men­sch sich mit seinem Leib, hält er den Leib für sein eigentlich­es Wesen, so wird diese Selb­sterken­nt­nis entwertet. Das Selb­st als Same, Keim oder Vorstufe des Geist­selb­st ent­flieht dann aus dem Erken­nt­nishor­i­zont des Men­schen. Das Geist­selb­st ist der vol­lkom­men vom Ich durch­drun­gene Astralleib. Der Astralleib ist die Organ­i­sa­tion des Innen, die das Wesen von der Außen­welt abschließt. Wer innen bei sich zu Hause ist, kann aus dem Fen­ster her­auss­chauen. Er sollte sich nur nicht zu weit her­auslehnen — um ein Bild für das Ent­fliehen des Selb­st zu finden.

Der G‑Charakter zeigt sich im Mantra durch die Notwendigkeit, das eigene Selb­st zu bewahren, sich zusam­men­zuhal­ten. Auch die Sonne als Wel­tenlicht, als Schöpferin und Gestal­terin aller Wesen ist G, denn diese Kraft, die die Welt erschafft, wurde als der große Geome­ter betra­chtet. Er gibt jedem Wesen sein Maß. Wird der Men­sch in den Selb­staus­druck dieses Schöpfers über Gebühr hineinge­zo­gen, so ver­liert er seine Eigen­ständigkeit, sein eigenes Schöpfer­tum. Das zu machtvolle Aufkeimen der Leben­skraft ist in diesem Mantra das Problem.

Als Lösung wird das Ahnen, das nicht-logis­che, nicht an die äußere Sinneswahrnehmung gebun­dene Denken aufgerufen. Das an den Schein der Sinne, stel­lvertre­tend an das Sehen der physis­chen Augen gebun­dene Denken ver­liert sich selb­st. Es wird sklave der Materie. Laut­gle­ich mit dem deutschen Wort Auge ist das griechis­che ‘augé’, lateinisch ‘augére’, das ‘wach­sen machen’, ‘wach­sen lassen’, ‘her­vor­brin­gen’, ‘erzeu­gen’, ‘ver­mehren’ und ‘erhöhen’ bedeutet. “Die ätherische Kraft des G, die emporschießende Wach­s­tum­skraft, das Struk­turg­erüst des Gam­ma, tritt uns hier urbild­haft vor Augen.” (Ernst Moll, Die Sprache der Laute, S. 158) Indem ein Knospenansatz vom Gärt­ner ‘Auge’ und das Vere­deln ‘Okulieren’ genan­nt wird, zeigt sich der innere Zusam­men­hang des Auges mit dem lateinis­chen Verb ‘ver­mehren’ und wach­sen’. In Rom war offen­sichtlich noch ein weit­er­er Zusam­men­hang des Sehens und Wer­dens bekan­nt. Dort hießen die Wahr- und Weis­sager, die Seher ‘Auguren’. Die Beobach­tung und Deu­tung der Wahrze­ichen heißt ‘augu­rare’ — das Ahnen und Vorausah­nen kom­mender Ver­wirk­lichung. Ernst Moll sagt: “Es ist nichts anderes als das griechis­che ‘augé’, das Schauen der Sonne, das Sehor­gan des ätherischen Licht­es. Und weil der ätherische Bilde­prozess der physisch-sicht­baren Gestal­tung voraus­ge­ht, deshalb ist der Auguren­di­enst ein Vorauss­chauen, ein Wahrsage­di­enst.” (Die Sprache der Laute, S. 158) Beim Ahnen geht es also darum, den Ver­fes­ti­gung­sprozess dort anzuschauen, wo er noch im Lebendi­gen ist, wo er noch nicht zum Gewor­de­nen erstar­rt ist.

Alles irdis­che Leben ist am Ende sterblich. Um dieses Ende und um einen voll­ständi­gen Neuan­fang geht es im Mantra 33 g. Die Welt, so fühlt der Ich-Sprech­er, hat nur noch frostig leeres Leben. Die Lebenswärme ist erkaltet, der Strom des Lebens ist ver­siegt, Fortpflanzung und Ver­jün­gung sind aus sich selb­st nicht mehr möglich. Einzig und allein das seel­is­che Miter­leben des Men­schen kann daran etwas ändern. Die Seele des Men­schen ist der einzige Ort, an dem die Welt sich von neuem schaf­fen kann. So unschein­bar wie die Welt sich in der Seele als men­schlich­es Erleben, als macht­lose Vorstel­lung offen­bart, so wichtig ist dieser Prozess doch für die Welt. Nicht der Men­sch, sie sel­ber, die Welt, schafft sich fort­laufend in der men­schlichen Seele neu. Hier ist der Quellpunkt, der Keim­punkt für einen neuen, jun­gen und frischen Lebensstrom — eine neue Urflut. In diesem Mantra zeigt sich die erschaf­fende, gen­er­a­tive Qual­ität des G, der göt­tlich schöpferische Aspekt, dessen Schau­platz über­raschen­der­weise die men­schliche Seele ist.