12 ! Johannes-Stimmung
Der Welten Schönheitsglanz,
Er zwinget mich aus Seelentiefen
Des Eigenlebens Götterkräfte
Zum Weltenfluge zu entbinden;
Mich selber zu verlassen,
Vertrauend nur mich suchend
In Weltenlicht und Weltenwärme.
Sonnenwende, Johanni und der Scheitelpunkt des Seelenkalender-Jahres
Die äußere Sommer-Sonnenwende liegt einige Tage vor dem Johanni-Tag. Der 21. Juni ist der längste Tag gefolgt von der kürzesten Nacht. Seit Weihnachten stieg die Sonne täglich höher. Nun ist diese Expansions-Bewegung beendet, der Scheitelpunkt des Jahreskreises ist überschritten. Im Seelenkalender-Jahreskreis von 4 x 13 Wochen ist das nicht so. Hier liegt der höchste Punkt noch vor uns – zwischen der Woche 13 M und 14 N.
Und die Weihe-Nachts-Woche 38 m — ist sie am unteren Umkehrpunkt? Nein, auch dieser Umkehrpunkt liegt erst zwischen der Woche 39 n und 40 o! Und auch die äußere Winter-Sonnenwende liegt vor der Heiligen Nacht. Johanni am 24. Juni und Weihnachten am 24. Dezember feiern wir jeweils erst nach der astronomischen Sonnenwende am Himmel. Beide Sonnenwenden ereignen sich zunächst physisch am Himmel und dann feiern wir das mit ihnen verbundene Fest. Und erst als dritten Schritt wendet auch der Seelenkalender-Jahreskreis seine Bewegungsrichtung.
Warum ist das so? Wäre es nicht viel stimmiger, wenn die astronomische Sonnenwende, das zugehörige Fest und die Wende im Seelenkalender-Jahreskreis sich decken würden? Nun, mit dem christlichen Fest feiern wir die vollbrachte Umwendung. Wir feiern den Beginn der neuen Bewegung, den Neuanfang! (Mehr dazu unten) Aber warum bildet der Seelenkalender-Jahreskreis noch etwas anderes ab?
Ich erkenne hier einen Dreischritt: die astronomische Sonnenwende ist eine physische, dem folgt zeitlich das Festereignis von Johanni bzw. Weihnachten als seelische Antwort. Der Jahreskreis, wie er sich im Seelenkalender rundet, wird dadurch Ausdruck der geistigen Ebene. So sind drei Kreise zu unterscheiden: der astronomisch-physische, der seelische Festeskreis und der “geistige” Seelenkalender-Jahreskreis.
Johanni — das Gegenüber zur Heiligen Nacht
Johanni wird am 24. Juni, dem Johannistag, gefeiert. Es herrscht Sommer auf der Nordhalbkugel der Erde. Es ist ein Festtag mit fixem Datum, das ganz offensichtlich in Beziehung steht zur Heiligen Nacht am 24. Dezember. Beide Feste liegen kurz nach den Sonnenwenden, den Solstitien (Solstitium, lateinisch für „Sonnenstillstand“). Diese Umkehr findet rings um den 21. Kalendertag dieser Monate statt. Schon durch den kosmischen Bezug sind beide Feste Feiern eines vollzogenen Neuanfangs. Die Betonung des Neuanfangs wird zusätzlich verstärkt, indem beide Male eine Geburt gefeiert wird. Johanni gilt als der Geburtstag Johannes des Täufers, in der Heiligen Nacht feiern wir die Geburt Jesu. Im Johannesevangelium ist der Ausspruch Johannes des Täufers übermittelt: “Er muss wachsen; ich aber muss abnehmen.” (Joh. 3,30). Diese Aussage lässt sich auch auf den jeweils ganz neu wieder steigenden bzw. fallenden Sonnenbogen beziehen.
Was beginnt also mit dem Johanni-Fest? Das lässt sich am besten im Vergleich zu der entgegengesetzten Zeit, die mit der Christgeburt beginnt, verstehen. Mit der steigenden Sonne beginnt alles zu wachsen, sich zu entfalten, zu sprossen und zu blühen. So wie wir bei einem Neugeborenen fragen, <ist es gesund?> <ist es dem Urbild entsprechend gebildet?>, so lässt sich auch in der ganzen Natur die Bestrebung erkennen, das Urbild zur Entfaltung zu bringen. Mit Johanni beginnt die Sonnenbahn wieder zu fallen. Am Lebensende ist die Frage obsolet, ob der Betreffende gesund, dem Urbild entsprechend gebildet war. Nun fragen wir nach dem Individuellen, Einzigartigen dieses Menschen. Auch in der Natur findet dieser Umschwung der Bestrebung statt. Nun beginnt die Frucht- und Samenbildung und rückt das Einzigartige, Individuelle in den Vordergrund. Jeder Same trägt eine etwas andere Erbsubstanz in sich und ermöglicht dadurch die langsam fortschreitende Entwicklung der Art, die ohne diesen Variationsreichtum nicht möglich wäre.
Johanni im Atemrhythmus der Erde
Als Vorbereitung zum Verständnis des Mantras 12 ! für das eigene Seelenleben ist es wichtig, Rudolf Steiners Ausführungen für die Johanni-Zeit einzubeziehen. Er beschreibt den Jahreslauf als einen großen Atemzyklus der Erde. Die Zeit der aufsteigenden Sonnenbögen entspricht der Ausatmung, die Zeit der absteigenden der Einatmung der Erde. Dadurch wird die Erde als beseeltes Lebewesen sichtbar, wodurch auch der menschliche Seelenprozess differenzierter erkannt werden kann. Der Wechsel der Atem-Phasen entspricht dadurch den Sonnenwenden: “Und gehen wir im Jahreslauf, ich möchte sagen, in der Atmung der Erde weiter, dann finden wir, wie im Juni [auf der nördlichen Halbkugel] die Erde … ganz ausgeatmet [hat]. Das ganze Seelenhafte der Erde ist in den kosmischen Raum hinaus ergossen, das ganze Seelische der Erde ist dem kosmischen Raum hingegeben. Das Seelenhafte der Erde durchtränkt sich mit der Kraft der Sonne, mit der Kraft der Sterne. Der Christus, der mit diesem Seelenhaften der Erde verbunden ist, vereinigt auch seine Kraft mit der Sternenkraft und der Sonnenkraft, die da fluten in dem an das kosmische All hingegebenen Seelenhaften der Erde. Es ist Johanni, es ist Johannizeit. Die Erde hat voll ausgeatmet. Die Erde zeigt in ihrer äußeren Physiognomie, mit der sie hinausblickt zum Weltenall, nicht ihre eigene Kraft, wie sie sie in sich zeigte zur Wintersonnenwende, die Erde zeigt auf der Oberfläche die rückstrahlende Kraft der Sterne, der Sonne, alles dessen, was kosmisch außer ihr ist.
Die alten Eingeweihten haben besonders lebhaft, namentlich in den nördlichen Gegenden Europas, den inneren Sinn und Geist dieser Zeit, unserer Junizeit, gefühlt. Sie haben ihre eigene Seele mit der Erdenseele in dieser Zeit hingegeben gefühlt den kosmischen Weiten. Sie haben sich lebend gefühlt nicht innerhalb des Irdischen, sondern in den kosmischen Weiten. Und vor allen Dingen haben sie sich etwa das Folgende gesagt: Wir leben mit unserer Seele in den kosmischen Weiten. Wir leben mit der Sonne, wir leben mit den Sternen. Und wenn wir den Blick zurückwenden auf die Erde, die sich erfüllt hat mit sprießenden, sprossenden Pflanzen, die alles mögliche an Tieren hervorgebracht hat, dann sehen wir in den sprießenden, sprossenden Pflanzen, in den farbenentfaltenden, farberglitzernden Blumen, sehen in den hin und her sich bewegenden Insekten, in den die Luft durchmessenden Vögeln mit ihren mannigfaltigen farbigen Federdecken wiederum von der Erde wie spiegelnd zurückglänzen dasjenige, was wir in die Seele aufnehmen, wenn wir gerade die Erde verlassen und uns mit dem hinausflutenden Atem der Erde verbinden, um kosmisch, nicht irdisch zu leben. Aber was sich da tausendfältig farbig, sprießend, sprossend, von der Erde hinauswachsend zeigt in den Weltenraum, das ist von derselben Art. Nur ist es eben die Reflexion, die rückstrahlende Kraft, während wir die direkte Kraft in unseren Menschenseelen tragen. — Das war das Sich-Fühlen derjenigen Menschen, die inspiriert waren von den Einweihungsstätten, welche insbesondere das Sommersonnenwendefest verstanden. So sehen wir hineingestellt das Johannifest in den großen Atemzug des Irdischen gegenüber dem Kosmos.” (Lit.: GA 223, S. 12ff)
Die Auflösung der Ich-Organisation — die vierte Stufe nach dem Tod
Für die drei vorherigen Mantren konnte ich zeigen, dass sie auch unter dem Aspekt des seelisch-geistigen Erlebens des Todes gelesen werden können. Das Mantra 9 I (Neun und großes i) vermittelt das Innenerlebnis des physischen Todes, das Mantra 10 K gibt ein fühlendes Erleben des Lebenspanoramas, das mit der Auflösung des Ätherleibs einhergeht und durch das Mantra 11 L kann ich mich einleben in das Erleben der eigenen Lebensbeurteilung, die die Auflösung des Astralleibs des vergangenen Lebens zum Ziel hat. Der Mensch hat während seines Erdenlebens, wie Rudolf Steiner vielfach ausführt, vier Leib-Organisationen, oft auch als Wesensglieder bezeichnet. Obwohl das Ich des Menschen rein geistiger Natur und unsterblich ist, beschreibt Rudolf Steiner auch für das Ich eine Art Leiblichkeit, die er Ich-Träger, Ich-Leib, Ich-Hülle oder Ich-Organisation nennt. Es ist die Gesetzlichkeit, derer sich das uninkarnierte Ich bedienen muss, um sich in und durch die drei anderen Wesensglieder auszudrücken. Dieser “Ich-Leib” ist das Quellbecken des Bewusstseins und eng mit dem urteilenden Denken verbunden. Es liegt also nahe, dass nach dem Tode auch dieser “Ich-Leib” abgestreift werden muss, obwohl ich hierzu keine direkten Informationen von Rudolf Steiner gefunden habe. Das nun wieder uninkarnierte Ich wird auch diese leibähnliche Strukturgebung wieder abstreifen bzw. auflösen müssen. Ich denke, diese Auflösung könnte darin bestehen, die innersten Überzeugungen über mich selber, die ich mir durch Ketten aus Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen aufgrund meiner Wahrnehmung und daraufhin gebildeten Urteilen geschaffen habe, zu überwinden. Der Bedarf an solcher Verkettung wird obsolet, wenn ich meine Entität als Hervorbringer derselben sehen lerne. Mein rein geistiges Ich-Erleben muss frei werden von diesen Identität stiftenden Strukturen. Ich muss auch dieses “Gerüst-Haus” meines Ichs verlassen und, im Bild gesprochen, unter freiem Himmel leben lernen.
Das Mantra 12 ! hat keinen Buchstaben
Noch eine weitere Besonderheit dieses Mantras soll vorbereitend zur Sprache kommen: Das Mantra 12 ! hat, anders als fast alle anderen Mantren, keinen Buchstaben im Titel. Die Zahl ordnet die Mantren in den Fluss der Wochen ein und fasst das Jahr als Einheit. Die Buchstaben durchlaufen zweimal das Alphabet und teilen dadurch das Jahr in Halbjahre. In der Erstausgabe von 1912/13 bilden zwei Mantren dabei eine Ausnahme, sie haben nur eine Zahl, keinen Buchstaben. Das sind die Mantren 12 ! und 51 !, die jeweils vorletzten der Vierteljahre mit aufsteigender Sonne. Um auszuschließen dass der Buchstabe vermeintlich vergessen wurde, kennzeichne ich diese Sprüche mit einem Ausrufezeichen.
Gleichzeitig sind die Mantren 12 ! und 51 ! zwei von insgesamt fünf Mantren mit einer Überschrift. Mehr dazu im Blog-Artikel zum Mantra 51 !
Da Mantren mit gleichem Buchstaben im Jahreskreis einander immer gegenüberstehen und der Jahresstand jeweils genau entgegengesetzt ist, halten sich ihre Kräfte sozusagen die Waage. Dieses Gleichgewicht der Kräfte ist bei den Mantren ohne Buchstaben nicht gegeben. Sie stehen alleine und zeigen eine seelische Situation, zu der es kein Gegenteil, keine ausgleichende Ergänzung gibt. Durch diese Alleinstellung weisen sie auf Aspekte von Individualität und Einzigartigkeit.
Nun konkret zum Mantra 12 !
Das Mantra 12 ! ist überschrieben mit Johannes-Stimmung. Doch zunächst lässt nichts darin an Johannes den Täufer denken, in dessen Geist dieses Mantra — kraft der Überschrift — zu uns spricht. Zunächst ist die Überschrift nur ein Hinweis, dass sein Geburtsfest in dieser Woche liegt bzw. liegen soll.
Im Johanni-Spruch werde ich gezwungen.
Nirgends in den Mantren des Seelenkalenders werde ich als Leser in einer so ausweglosen, unfreien, mich zwingenden Situation geschildert. Mit Gewalt werde ich in eine Richtung geschoben. Was oder wer hat die Macht mich so zu zwingen?
Es ist der Welten Schönheitsglanz, der eine so gewaltige Wirkung auf mich ausübt. Doch was ist der Welten Schönheitsglanz? Der Sinnzusammenhang ist ein dreigliedriger: Welten-Schönheit(s)-Glanz. Wie kann ich nachvollziehen, dass gerade der Glanz der Schönheit der Welt so zwingend wirkt?
In diesem dreigliedrigen Wort kann ich die Trinität von Vater, Sohn und Heiligem Geist wiederfinden: Die Welt ist das Kleid des Vatergottes, er hat sich in seine Schöpfung geopfert. Die Schönheit ist die sichtbar gewordene Lebenskraft des Sohnes, des Christus, der das stoffliche Sein der Welt wie eine Aura umgibt. Der Glanz ist das darüber hinaus Ausstrahlende, die wieder vergeistigte Materie, der körperlose Heilige Geist. Damit wird verständlich, warum der Welten Schönheitsglanz eine so zwingende Macht hat. Ein Drei-Einiger Gott hat die Macht, mich zu zwingen. Er zwingt mich zum Weltenflug. Ich soll wagen, was kein Erdenmensch vermag; ich soll fliegen. Im Bild gesprochen soll ich zum Adler werden, dem mächtigsten Sinnbild aller Vögel. Hier findet sich ein erster Hinweis auf Johannes, diesmal des Evangelisten, denn sein Symboltier ist der Adler.
Aus den Seelentiefen kommt dieser Zwang zur Entbindung meiner Götterkräfte.
Der Zwang kommt aus den Seelentiefen, den Tiefen des Unterbewusstseins. Vermutlich sind auch “meine Götterkräfte” “meines Eigenlebens” normalerweise dort gebunden. Doch was sind “meines Eigenlebens Götterkräfte”, die ich “zum Weltenfluge” entbinden, deren Verankerung ich aus den Seelentiefen herauslösen muss? Es ist meine Lebenskraft, genauer die Kraft meines individuellen, eigenen Lebens, die Lebenskraft meines entwicklungswilligen Ichs. Dieses Ich, das vom “Christus-in-mir” weiß, in sich vorzufinden, wird seit alters her als Göttergeschenk, oder als göttliche Kraft, als Gott im Innern erlebt. Sieben Ich-bin-Worte sind im Johannesevangelium vom Christus überliefert. Siebenfältig beschreibt er sich dergestalt in Bildsprache. Auch im Mantra 12 ! wird die Mehrzahl des Wortes gebraucht: Götterkräfte — möglicher Weise ist an sieben solcher Kräfte zu denken, entsprechend der sieben Ich-bin-Worte.
Mein Ich wird also zum Flug gezwungen, es wird entbunden.
Noch ist es sowohl mein irdisches Ich, erkennbar durch das vorgestellte Wort “Eigenleben”, als auch mein unsterbliches Ich, ausgedrückt durch die Bezeichnung “Götterkräfte”. Dieses irdisch-göttliche Ich werde ich gezwungen aus Seelentiefen zu entbinden. Eine Entbindung ist eine Geburt, eine Loslösung aus einer Hülle. Im Leben ist die Seele die Hülle des Ichs und auch der Ego-Anteil entspringt der Seelenhülle und gehört eigentlich zu dieser. Das Ego ist mit “Eigenleben” hier nicht gemeint, sondern der Ich-Träger, die Ich-Organisation. Die Wahrnehmung der Schönheit der Welt, mehr noch, ihr Glanz wirkt so stark durch die Wahrnehmung auf das Ich, dass es sich löst aus der Seelenhülle und der Umklammerung durch das Ego. Das Ich fliegt ekstatisch.
Ich kann schlussfolgern, hier schlüpft mein Ich aus der Hülle wie der Schmetterling aus der Puppe und setzt zum Weltenflug an. Der “Welten Schönheitsglanz” hat meinem Ich zum Flug verholfen.
Zu Johanni ist die Natur in ihrer schönsten Entfaltung. Die Erde gibt sich ganz dem Kosmos hin und indem ich dessen gewahr werde, werde ich gezwungen, es ihr gleich zu tun. Fliegend werde ich ein Bote zwischen Himmel und Erde. Religion bedeutet Rückbindung. Im Weltenflug verbinde ich die Erde mit dem Himmel, ich verwirkliche die Rückbindung, Religion.
Nun folgt im Spruch nochmal eine Beschreibung dieses Prozesses, diesmal aus dem eigenen Erleben: Mich selber zu verlassen, meine auf Erden aufgebaute Ichstruktur, meinen Ich-Leib zu verlassen nur im Vertrauen darauf, mich in Weltenlicht und Weltenwärme suchen zu können. Etwas suchen kann ich nur, wenn ich von der Existenz desselben weiß, wenn ich also in diesem Fall Kenntnis habe von diesem gegensätzlichen Ich-Sein. Was könnte mit Weltenlicht und mit Weltenwärme gemeint sein? Worin könnte ich mich erfolgreich suchen? Weltenlicht kann ich übersetzen als Weisheit, Weltenwärme als Liebe. Mich in Weltenlicht und Weltenwärme zu suchen heißt, mich in Christus als dem Licht und der Liebe der Welt zu suchen – vertrauend darauf, mich in Ihm, im wahren Ich zu finden.
Weltenwärme und Weltenlicht deuten auf die beiden korrespondierenden Ätherarten den Wärmeäther und den Lichtäther hin. Diese beiden Äther-Arten hat der Mensch zu seiner persönlichen Verfügung (im Gegensatz zu den anderen beiden Ätherarten, genannt chemischer Äther und Lebensäther). Der Mensch hat Eigenwärme und eigene Erkenntnisfähigkeit. Sind diese persönlichen Ätherarten vielleicht auch mit den Götterkräften des Eigenlebens gemeint? Muss ich meine Eigenwärme als Grundlage meines Ichs auf der Erde und meine eigene Denkfähigkeit, durch die ich mich als Ich erfassen kann, zum Weltenflug entbinden? Könnten das meine beiden Schwingen sein, mit denen ich auffliege, um mich in der Weltenliebe und Weltenweisheit wiederzufinden?
Suche ich mich in Weltenlicht, so suche ich mich als Weisheit, als ewige Unveränderlichkeit zu erkennen — als mein Urbild. Suche ich mich in Weltenwärme, so suche ich mich als Entwicklungskeim, als Entwicklungswesen, das liebend gewollt wird — als mein Entwicklungsziel.
Für mich hat das Mantra die Stimmung der Taufpraxis, wie sie Johannes am Jordan vollzog. Das Ziel dieser Taufe war es, die Menschen in Todesnähe zu bringen, damit sie ihre Wahrnehmung auf das irdische Leben ändern. Auch diese Menschen wurden durch das lange Untertauchen gezwungen, ihr geistig-seelisches Wesen fast vom Körper zu lösen, es zum Weltenflug zu entbinden.
Als Anhang ein Rückblick auf die vier letzten Mantren: 9 I, 10 K, 11 L und 12 !
Mir scheint, dass die vier letzten Mantren zu einem übergeordneten, größeren Prozess gehören. Vierfach variiert findet sich das Verlieren und Finden in den Mantren 9 I, 10 K, 11 L und 12 !. Sie vermitteln für mich als Innenerlebnisse (neben den anderen beschriebenen Aspekten) den Schritt des Todes und die darauffolgenden Stufen der Loslösung vom vergangenen Leben. Für diese vier Mantren lässt sich zudem eine übergreifende Struktur erkennen:
- Tod des physischen Leibes und erste Variante von Verlieren und Finden: Im Mantra 9 I (Neun und großes i) vergesse ich meine Willenseigenheit, Weltenwärme erfüllt mich. Hier wird mir das erste Mal gesagt (von meiner Ahnung): Verliere dich, um dich zu finden.
- Lebenstableau und Abstreifen des Ätherleibs und zweite Variante von Verlieren und Finden: Im Mantra 10 K wird ein ungeheuer schönes Bild erzeugt: Das Fühlen wird in Raumesweiten mitgenommen — wodurch das Entschwinden anklingt. Das Erkennen findet einst, später statt — wodurch das Finden aufscheint.
- Auflösung des Astralleibs im Kamaloka und dritte Variante von Verlieren und Finden: Im Mantra 11 L bekomme ich von einem ungenannten Sprecher gesagt, mich an die Weltenschönheit hinzugeben, mich fühlend zu durchleben und dabei zu erkennen: Verlieren kann das Menschen-Ich und finden sich im Welten-Ich. Zum zweiten Mal werde ich direkt aufgefordert. Diesmal ist es als Gesetz formuliert und konkret auf das Ich bezogen.
- Auflösung der Ich-Organisation (siehe oben) und vierte Variante von Verlieren und Finden: Im Mantra 12 ! ist es die Dreiheit aus Welten Schönheit(s)-Glanz, die im Physischen erscheint und wirkt. Nun zeigt sich ein Zusammenwirken der drei Seelenfähigkeiten. Bei der dritten Aufforderung ist es die Innenperspektive, in der Denken, Fühlen und Wille zusammenwirken: Mich selber zu verlassen (Tätigkeit, Wille), Vertrauend (Fühlen) nur mich suchend (Kenntnis meines neuen Seins) in Weltenlicht und Weltenwärme.
Betrachte ich die Mantren mit Blick auf die drei Seelenfähigkeiten Denken, Fühlen und Wollen, dominiert in jedem Mantra eine der seelischen Ausdrucksweisen. Erst beim Mantra 12 ! wirken alle drei zusammen. Zusätzlich zeigt sich ein für die Seelenfähigkeit charakteristischer Zeitbezug:
Mantra: | Seelenfähigkeit: | Ziel: | Prozess: | Zeitbezug: |
9 I | Wollen | Weltenwärme | Verliere dich, um dich zu finden | Zukunft |
10 K | Fühlen, Imagination | der Sonne leuchtend Wesen, erlebte Schönheit | Das Gotteswesen fühlt, d.h. „findet“ mich | Gegenwart |
11 L | Erkennen, Inspiration | Weltenschönheit | Verlieren kann das Menschen-Ich und finden sich im Welten-Ich | Gesetz, Vergangenheit |
12 ! | Alle drei, Intuition | Welten Schönheitsglanz | Mich selber zu verlassen, vertrauend nur mich suchend in Weltenlicht und Weltenwärme | Gegenwart bzw. zeitlos |